Franz Sölkner: Der Zionismus und sein allumfassender Boykott gegen Palästinenser

Im Meinungskampf um die ethische Legitimität und Legalität von BDS-Aufrufen wird von Seite der israelisch-zionistischen Propaganda („Hasbara“, „Sayanim“) und verschiedener nichtjüdischer Richtungen der Israel-Lobby häufig eine Gleichsetzung von BDS und der Nazi-Parole "Kauft nicht bei Juden!" bzw. ein damit verbundener Antisemitismusvorwurf ins Treffen geführt. Diese Gleichsetzung lässt die völlig unterschiedlichen historischen Rahmenbedingungen beider Boykottaufrufe außer Acht und ist daher unsinnig. Ohne die Politik Israels in die Nähe der Barbarei Nazi-Deutschlands zu rücken, gilt: Im einen Fall war es eine politkriminelle Diskriminierung einer zahlenmässig kleinen und politisch ausgegrenzten Minderheit durch die barbarische Diktatur der Nazis. Bei BDS ist es ein politisch-ethisch legitimes gewaltfreies Kampfmittel einer schwer unterdrückten Minderheit gegen die Besatzungsmacht Israel.

 

Auffallend dabei ist dabei aber auch, dass jene, die diesen Vergleich zur Desavouierung von BDS benutzen, in aller Regel hinsichtlich der Geschichte des Zionismus entweder schlicht ignorant sind oder sie diese bewusst sehr einseitig instrumentalisieren. Fakt ist nämlich: Schon in der Frühzeit der Zionistischen Bewegung gab sich diese selbst vier zentrale ethnozentrische und wirtschaftspolitisch entscheidende Maximen:

•    Unbeschränkte jüdische Einwanderung nach Palästina („Alijah“, wörtlich: Aufstieg).

•    "Jüdischer Boden" ("G’ulath haarez“, wörtlich „Befreiung des Bodens“): In Palästina sollte möglichst viel Land in Eigentum und Besitz von Juden übergehen und von den Arabern erworbenes Land durfte nicht mehr an Nichtjuden weiterverkauft werden.

•    "Jüdische Arbeit" ("Avoda Ivrit"; auch „Kibbusch ha’avodah“ = „Eroberung der Arbeit“): Auf Boden und in Betrieben in jüdischem Eigentum sollte kein Araber Beschäftigung finden (und wenn das betriebswirtschaftlich doch zeitweilig notwendig war, dann nur als TagelöhnerIn). Das war ein Beschluß am V. Zionistenkongress 1901, der dann ab 1907 konsequent umgesetzt wurde.

•    "Jüdischer Konsum" / "Jüdische Ware" ("Tozeret Ivrit") : Um die palästinensisch-arabische Wirtschaft zu schwächen und die eigene Wirtschaftskraft zu stärken, sollten von Juden nur Waren aus jüdischer Produktion gekauft und solche aus arabischer Produktion boykottiert werden.

 

Warum also sollte der Palästinensischen Zivilgesellschaft und ihren solidarischen Partnern außerhalb Palästinas in ihrem Kampf um Befreiung heute verboten sein, was den Zionisten in Ihrem Kampf um einen eigenen Staat selbst als legitimes politisches Instrument erschien?

 

Zum ganzen Komplex der auf Separation angelegten wirtschaftspolitischen Instrumentarien des frühen Zionismus, die dann unter britischem Schutz im Schattenstaat des Jischuw und nach 1948 im Machtstaat Israel umgesetzt wurden, siehe dazu Walter Hollstein, Kein Friede um Israel. Zur Sozialgeschichte des Palästina-Konflikts, Berlin 1984, Seite 52ff. Gut zusammengefasst findet sich die frühe Geschichte des Zionismus auch in einem Spiegelartikel von Siegfried Kogelfranz aus dem Jahr 1982: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14353995.html . Von Seite zionistischer und israelischer Organisationen kam es auch später immer wieder zu Aufrufen keine Waren aus arabisch-palästinensischer Produktion zu kaufen. So etwa als Reaktion Mitte der 1990er Jahre, als sich auf Seite der PalästinenserInnen die Enttäuschung über das Ausbleiben des erhofften Fortschritts des Oslo-Prozesses zunehmend in Widerstandsaktivitäten Ausdruck fand.
 

Zusammen mit der Weigerung die Arabische Sprache zu lernen und dem Beharren auf einem eigenen "rein jüdischen" Schulsystem, das dann 1922 auf Druck der Zionisten im Mandatsvertrag des Völkerbundes mit Großbritannien festgeschrieben wurde, waren das entscheidende und bewusst herbeigeführte Weichenstellungen für die Trennung und wachsende Entfremdung der arabischen und jüdischen Bevölkerung Palästinas.  
 

Freilich ist mit dogmatischen Ideologen, die derartige historischer Fakten nicht kennen und auch nicht kennen wollen und meinen, die politkriminell-rassistische "Kauft nicht bei Juden!"-Parole des despotischen NS-Machtstaates gegen eine Minderheit, mit dem gewaltfreien Instrument einer zivilgesellschaftlich-solidarischen Bewegung gegen einen ethnozentrisch-chauvinistischen Besatzungsstaat gleichsetzen zu müssen, schwer zu diskutieren.
Aber schaden tut es ja nicht, wenn man diese Fakten kennt und verbreitet.                                                                                                                                                     

 

Franz Sölkner (28. Feb. 2019)