Offener Brief betreffend den "Selbständigen Entschließungsantrag [141/A(E) vom 11.12.2019] betreffend Verurteilung von Antisemitismus und der BDS-Bewegung"

Von Fritz Weber, Österreichischer Staatsbürger, Kosmopolit, Freund des israelischen und des palästinensischen Volkes

OFFENER BRIEF

An die Herren und Frauen Abgeordneten zum Nationalrat,

die den „Selbständigen Entschließungsantrag [141/A(E) vom 11.12.2019]
betreffend Verurteilung von Antisemitismus und der BDS-Bewegung“

verfasst und unterschrieben haben

Wien, im Februar 2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

werte Parlamentarierinnen und Parlamentarier!

 

Bevor ich zu Ihrem „Selbständigen Entschließungsantrag“ Stellung nehme, möchte ich folgendes Zitat von Irene Harand voransetzen:

„Jede Lüge muss mit der Wahrheit beantwortet werden.“

Irene Harand (1900-1975), christliche Vorkämpferin
gegen Nationalsozialismus und Antisemitismus

 

Stellungnahme zu folgenden acht Begriffen des Entschließungsantrags einschließlich des Begleitschreibens:

  1.  „Antisemitismus“
  2. „israelbezogener Antisemitismus“
  3. „Existenzrecht Israels“
  4. „Aberkennung des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung“
  5. „Vergleiche zwischen der aktuellen Politik und der Politik der Nationalsozialisten“
  6. „Schüren von Hass und Vorurteilen“ und „Fremdenfeindlichkeit“
  7. „Boykott“
  8. „BDS“

Nachdem ich den „Selbständigen Entschließungsantrag“ an den Nationalrat im Wege des Budgetausschusses gelesen habe, der von Ihnen verfasst und unterzeichnet ist, wende ich mich nun aus diesem Anlass mit einer Stellungnahme an Sie.

Zunächst noch ein kurzes Wort zu meiner Person. Ich bin politisch wie ideologisch unabhängig und kein Mitglied einer Religionsgemeinschaft.

Nichtsdestoweniger orientiere ich mich an dem Erbe des historischen Christentums,
wie es im Neuen Testament überliefert ist.
Von daher vertrete ich aktiv sowohl menschenrechtskonforme wie ökologische Standpunkte in Fragen der Religionsfreiheit, Demokratie und Bewahrung der Schöpfung.

Gemäß biblischer Ethik gibt es „vor Gott kein Ansehen der Person“ und sind vor Gott alle Menschen von Geburt an gleich an Wert und Würde. Auch und gerade im Neuen Testament wird mehrfach klargestellt, dass seit dem Kommen Christi zwischen Juden und Nichtjuden (wörtlich:) „kein Unterschied“ besteht (allein im Römerbrief zweimal betont).

Nun zu den einzelnen Begriffen:

1. „Antisemitismus“

Nach meinem bisherigen Verständnis bedeutet Antisemitismus >>>

>>> eine Ablehnung, Schmähung oder Diskriminierung jüdischer Menschen,
WEIL SIE JÜDISCH SIND.

Dazu zwei – gegensätzliche – Beispiele:

1. 1970 hat die ÖVP im Wahlkampf gegen Bruno Kreisky das Konterfei von Josef Klaus unter dem Titel „Ein echter Österreicher“ plakatiert.

Das war ganz klar ein unfairer (und insbesondere sachlich inkorrekter) antisemitischer Untergriff, und das braucht wohl nicht näher erläutert zu werden. Im Übrigen steckt dahinter sogar ein latenter Rassismus, als wären jüdische Menschen eine Art „andere Rasse“ und könnten allein schon aus diesem Grund keine „echten“ Österreicher sein.

2. Wer dagegen an jüdisch-israelischen Politikern – sachlich zutreffend und ohne Beziehung zu ihrem Judesein – aus politischen Gründen oder aufgrund von Meinungsverschiedenheiten welcher Art auch immer Kritik übt, ist deswegen kein „Antisemit“.

Ich habe mir auch die „Antisemitismus-Arbeitsdefinition“ gemäß IHRA durchgelesen, auf die sich Ihr Entschließungsantrag bezieht. Dort steht gleich im ersten Satz:

„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden,
die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann.“

Hand aufs Herz: Eine „Arbeitsdefinition“, die auf einer „Kann“-Möglichkeit beruht, ist keine seriöse Bewertungsgrundlage!

Zudem kann niemand in einen anderen Menschen hineinschauen. Wie kann man also jemanden des „Hasses“ bezichtigen? Durch Gedankenlesen?

Wenn also ein einzelner jüdischer Mensch oder die israelische Regierung wegen seiner/ihrer Politik kritisiert wird, und sei es auch noch so scharf – wer vermag dem Kritiker deswegen „Hass“ oder ihm eine „gehässige Wahrnehmung“ zu unterstellen? Hier geht es einzig und allein um die Frage der Gerechtigkeit!

■  Ich kann Sie nur dringend bitten, sich dafür einzusetzen, dass diese – gelinde gesagt: unfaire – „Arbeitsdefinition“ so rasch wie möglich revidiert wird, denn sonst schlittern wir in eine Gesinnungsschnüffelei oder landen gar bei der Inquisition!

2. „israelbezogener Antisemitismus“

In dem Entschließungsantrag wird auch der Begriff „israelbezogener Antisemitismus“ verwendet, ohne zu erläutern, was dieser Begriff konkret bedeuten soll und wo da die Grenze zu ziehen ist zwischen (Zitat:)

„zulässiger“, „sachlicher Kritik an einzelnen Maßnahmen der Regierung Israel“ und „israelbezogenem Antisemitismus“.

[1] Warum befürworten Sie einen Entschließungsantrag, der mit einem solchen unbestimmten Begriff („israelbezogener Antisemitismus“) hantiert, der (absichtsvoll?) allzu weitgehend interpretiert – und daher missbraucht – werden kann?

Mit diesem unbestimmten Begriff spielen Sie jenen in die Hände, die ihn nur allzu gerne als Blankoscheck missbrauchen würden, um jedweden Kritiker der israelischen Politik mundtot zu machen – als „Antisemitismuskeule“ bzw. „Totschlag-Ideologem“, wie der israelisch-jüdische Historiker Prof. Moshe Zuckermann analysiert hat.[1]

[2] Wird es gemäß Ihrem Entschließungsantrag noch erwünscht oder gestattet bleiben, auf öffentlichen Veranstaltungen in Österreich die dokumentierten Kriegsverbrechen der israelischen Militärpolitik aufzuzeigen?

[3] Oder darf dann mittels des „Herrschaftsinstruments Antisemitismus-Vorwurf“ eine Israel-Lobby jedweden Druck auf Veranstalter, Lokalvermieter und Politiker ausüben (allenfalls durch erpresserische Drohungen der Entziehung von Fördergeldern), um derartige Veranstaltungen untersagen oder unterbinden zu lassen? Wenn nicht – welchen Schutz gäbe es gegen einen solchen Missbrauch?

[4] Würde damit nicht unter dem Deckmantel der „Verhütung von Antisemitismus“ der demokratische Konsens der Meinungsfreiheit unterminiert werden?

3. „Existenzrecht Israels“

Im Entschließungsantrag heißt es: „Organisationen oder Vereinen, die […] das Existenzrecht Israels in Frage stellen, keine Räumlichkeiten und Infrastruktur zur Verfügung stellen“.

[5] Leider haben Sie es verabsäumt zu erklären, wodurch „das Existenzrecht Israels“ „in Frage gestellt“ werden könnte. Doch nicht etwa durch Beharren auf gültigen UN-Reso­lutionen?

[6] Warum verlangen Sie, das „Existenzrecht Israels anzuerkennen“, statt einfach nur „Israel anzuerkennen"?

Der Unterschied ist allein schon deshalb absonderlich, weil das Konzept eines Staates, der irgendwelche Rechte hat, völkerrechtsfremd ist und daher gar nicht „in Frage gestellt“ oder „aberkannt“ werden kann.

Dies aus folgendem Grund: Menschen haben Rechte, nicht Staaten, also jüdische Menschen und palästinensische Menschen. Wenn aufgrund Ihres Entschließungsantrags verlangt wird, dass das „Existenzrecht Israels als jüdischer Staat“ anerkannt wird, soll dies doch wohl im Klartext bedeuten, dass bei der Forderung nach Anerkennung Israels nicht von einem normalen Nationalstaat die Rede ist, sondern von dem Staat eines bestimmten Volkes, dem Staat der Juden (des „jüdischen Volkes“), und damit unter explizitem Ausschluss aller nichtjüdischen Menschen.

Exkurs zur Problematik der israelischen Eigendefinition „jüdisch und demokratisch“:

1. Die Reihenfolge signalisiert, dass dem Attribut „jüdisch“ gegenüber „demokratisch“ der Vorrang eingeräumt wird.

2. Die Entwicklung der Gesetzgebung im Laufe der letzten Dekade zeigt, dass der Staat Israel immer „jüdischer“ und immer weniger „demokratisch“ wird. Das ist die unausweichliche Folge der Durchdringung Israels mit der Ideologie des Kahanismus.

3. Rabbi Meir Kahane (1932-1990) gilt als Vorkämpfer für einen jüdischen Rassismus und die daraus folgende Forderung der Isolierung jüdischer von nichtjüdischen Menschen. Nach seiner Einwanderung aus den USA 1971 gründete er die rechtsextremistisch-jüdische Kach-Partei, mit der er 1984 in die Knesset, das israelische Parlament, gewählt wurde. 1988 durfte er nicht mehr zur Knesset-Wahl antreten – seine Partei wurde vom Obersten Gerichtshof als „rassistisch“ eingestuft. Gleichwohl lebt sie als Kach-Untergrundbewegung weiter („Kahane Chai“, heb. „Kahane lebt“), sodass sich zentrale politische Ziele des Kahanismus mehr und mehr durchsetzen wie die Forderung nach (1) Aussiedlung der Araber, (2) der weiteren Einschränkung ihrer Rechte und (3) der Annektierung palästinensischer Gebiete zugunsten „Großisraels“. Auch die Entwicklung zu der von ihm geforderten (4) weitestgehenden Trennung zwischen Juden und Nichtjuden sowohl im öffentlichen Leben als auch geographisch ist offensichtlich. Endziel ist (5) die Beseitigung der westlichen Demokratie (sie gilt als etwas „Nichtjüdisches“ und sei „gottlos“ bzw. in Assoziation an die Makkabäerkämpfe als „helle­nistisch“) zugunsten (6) einer auf dem jüdischen Religionsgesetz (der Halacha) beruhenden „Theokratie“. Basis ist der Glaube an die exklusive „Auserwähltheit“ und damit „Einzigartigkeit“ des jüdischen Volkes (Am Sgula), anhand dessen es ein „ewiges und heiliges Recht auf das gelobte Land“ habe. Indem Kahane die Anwendung von Gewalt als politisches Kampfmittel gerechtfertigt hat („Terror gegen Terror“, 1974), beteiligte er sich auch an provokativen Plänen zu Sabotageakten auf dem Tempelberg. Hier einige Beispiele von Kahanisten und ihren Zielen:

  • Baruch Goldstein, verübte 1994 in Hebron ein Massaker an betenden Arabern (bei 29 Ermordeten). Seither wird er von den jüdischen Extremisten als heiliger „Gerechter“ (Zaddik) verehrt. Bis heute finden sich in Hebron Graffitis, mit denen „Araber in die Gaskammern“ gefordert wird.
  • Kahanisten verüben auch Brandanschläge und Schmieraktionen gegen christliche Einrichtungen. Auf die Wände der von deutschen Benediktinern verwalteten Brotver­mehrungskirche in Tabgah am See Genezareth wurde 2016 auf Hebräisch „Heiden“ und „Götzendiener müssen vernichtet werden“ geschmiert. Auf die Wände der Dormition-Abtei auf dem Zionsberg und zweier benachbarter Friedhöfe waren Drohungen geschmiert wie: „Christen zur Hölle“ und „Tod den Christen, den häretischen Feinden Israels“.
  • Der jüdische Siedler-Extremist und Enkelsohn des berüchtigten Rabbi Meir Kahane, Meir Ettinger, der 2008 die rechtsextreme Vereinigung „Die Revolte“ gegründet hat, gilt als gefährlichster Rechtsextremist Israels. Der Vereinigung gehörten 2016 etwa 100 Mitglieder im Alter von 15 bis 24 Jahren an. Ihr Ziel ist die Ausweisung (Zwangs­transfer) aller Araber aus „Großisrael“, da sie „kein Recht“ hätten, im „Heiligen Land“ zu leben.
  • Der Kahanist Ben-Zion („Bentzi“) Gopstein ist – als ehemaliges Mitglied der Kach-Partei – Vorsitzender der 2009 gegründeten rechtsextremen Organisation Lehava (Organisation zur Prävention von Assimilation im Heiligen Land). Lehava propagiert offenen Rassismus und zeichnet sich durch eine kompromisslose anti-arabische Haltung aus. Bei einer Podiums­diskussion für jüdische Jeshiwa-Studenten bejahte er die Frage des Journalisten Benny Rabinovich, ob er das Abbrennen von Kirchen in Israel für gerechtfertigt halte. Er berief sich dabei auf Maimonides, der in seinem Werk „Mischne Torah“ drei Gebote angegeben hat, die mit der Etablierung eines Staates Israel und des „Messianischen Zeitalters“ erfüllt sein müssen: (1) Einen König zu ernennen, (2) einen Tempel zu errichten und (3) das „Volk der Amalekiter“ zu vernichten. (Die „Amalekiter“ gelten im Judentum als das judenfeindliche Volk schlechthin, und Benjamin Netanjahu nützt diese Mystifizierung der Feinde Israels bzw. seiner politischen Gegner weidlich aus.) Darauf von einem anderen Podiumsteilnehmer, Moshe Klein, dem Rabbiner der israelischen Haddah-Medizinerzentren, hingewiesen, dass seine Bemerkung zu seiner Verhaftung führen könnte, antwortete Gopstein: „Das ist das Letzte, was mich beunruhigt. Wenn das die Wahrheit ist, bin ich bereit, dafür 50 Jahre im Gefängnis zu sitzen.“ Erst, als eine Aufzeichnung der Podiumsdiskussion auf Kikar Shabbat, einer ultra-orthodoxen jüdischen Website, veröffentlicht wurde, ruderte er ein wenig zurück und erklärte, dass er nicht zu operativen Schritten aufrufe, sondern dass dies der Ansatz des Maimonides sei und die Maßnahmen daher der Verantwortung der Regierung obliegen und nicht Einzelpersonen.
    Ende November 2014 haben drei Mitglieder von Lehava einen rassistisch motivierten Brandanschlag auf die jüdisch-arabische Schule „Hand-in-Hand“ in Jerusalem verübt. Die Schule gilt als Vorbild für Koexistenz, ist zweisprachig organisiert, jüdische und muslimi­sche Schüler lernen gemeinsam. An den Wänden hinterließen die Extremisten hebräische Schmierereien wie „Es gibt keine Koexistenz mit Krebs“ oder „Tod den Arabern“. Gopstein rief dazu auf, „Götzenbilder zu zerstören“ und Kirchen anzuzünden. Unverhohlen recht­fertigte Gopstein den Brandanschlag auf die Brotvermehrungskirche im Sommer ver­gangenen Jahres. Lehava – dessen Name „Flamme“ bedeutet, aber auch das hebräische Akronym für „Verhinderung der Assimilation im Heiligen Land“ ist – hält regelmäßig offene Versammlungen auf dem Zionsplatz in Jerusalem ab, bei denen Mitglieder Literatur ver­teilen, die vor den Gefahren der Beziehungen zwischen jüdischen Frauen und arabischen Männern warnt. Die Gruppe veranstaltete eine Demonstration, bei der die Mitglieder vor einer Hochzeit zwischen einer muslimischen und einer jüdischen Frau, die während des Gaza-Krieges im letzten Sommer zum Islam konvertiert war, „Tod den Arabern“ sangen.
  • Der Rabbiner Yehuda Glick fordert die Freilassung von Jitzchak Rabins Mörder Jigal Amir, der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Glick steht einer Organisation vor, die einen freien Zugang zum Tempelberg im Osten von Jerusalem einklagt. Dort, wo der islamische Felsendom steht, wollen die Extremisten wieder einen jüdischen Tempel errichten. Der Tempelberg mit der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom ist die drittheiligste Stätte des Islam und gilt als einer der Brennpunkte des israelisch-palästinensischen Konflikts.

Laut offiziellen israelischen Angaben, namentlich des JNF, sind 24 Prozent der israeli­schen Staatsbürger/innen nichtjüdisch (somit nahezu ein Viertel der Bevölkerung).

[7] Wie kann es also „antisemitisch“ sein, wenn man den Alleinvertretungsanspruch der jüdischen Mehrheit zurückweist, der als solches im Nationalstaatsgesetz vom 19. Juli 2018 festgeschrieben wurde, dass nämlich der „jüdische Staat“ allein dem jüdischen Volk gehört und zugleich die arabische Sprache keinen Status einer offiziellen Amtssprache mehr hat? [2]

[8] Ist es „antisemitisch“, sich dafür einzusetzen, dass Israel seine Eigendefinition als „jüdischer und demokratischer“ Staat zugunsten eines säkularen demokratischen Staates bei Gleichberechtigung aller seiner Bürger/innen ohne Unterschied der Ethnizität und bei strikter Trennung von Staat und Religion revidiert?

Dazu ein Beispiel: Was wäre davon zu halten, wenn sich Österreich als Staat des „römisch-katholischen Volkes“ definieren würde, wodurch der Staat nur noch den Katholiken gehört, mit der Rechtfertigung, dass die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung römisch-katholisch ist? [Exkurs Ende]

Zurück zum „Existenzrecht“: in seiner Antrittsrede als israelischer Regierungschef im Juni 1977 in der Knesset zum Thema „Anerkennung der Existenz Israels“ hat Menachem Begin festgehalten:

„Es käme keinem Briten oder Franzosen, keinem Belgier oder Niederländer, keinem Ungarn oder Bulgaren, keinem Russen oder Amerikaner in den Sinn, für sein Volk die Anerkennung seines Existenzrechts einzufordern. Ihre Existenz bedeutet per se ihr Recht zu existieren. Dasselbe gilt auch für Israel.“

Ähnlich hat sich der ehemalige israelische Außenminister der Arbeitspartei, Abba Eban, in einem Artikel geäußert, der am 18. November 1981 in der New York Times erschienen ist:

„Niemand erweist Israel einen Dienst, indem er sein ‘Existenzrecht’ proklamiert. Es ist beunruhigend, dass so viele, die Israel wohlgesonnen sind, diese verächtliche Formulierung im Munde führen.“

[9] Warum also ein solches, laut Abba Eban „verächtliches“ (Un-) Wort: „Existenzrecht“ (des israelischen Staates) in diesem Entschließungsantrag?[3]

[10] Wie denken Sie über das Existenzrecht des palästinensischen Volkes, das durch Israels kolonialistische Unterdrückungspolitik in einem unfassbaren Ausmaß eingeschränkt ist? Warum wird dies mit keinem Wort in Ihrem Entschließungsantrag erwähnt? Hat es etwa kein Existenzrecht?[4]

4. „Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung“

Folgendes steht in Ihrem Antrag:

 „[…] der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel antisemiti­scher Anfeindungen sein, wie z.B. das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, kollektives Verantwortlichmachen von Jüdinnen und Juden für Handlungen des Staates Israel […].

Diese Formulierung ist mehrfach fragwürdig:

  1. Der Staat Israel selbst versteht sich nämlich bei unterschiedlichsten Gelegenheiten als jüdisches Kollektiv („das jüdische Volk“), insbesondere im Nationalstaats­gesetz (s.o.), als gäbe es kein nichtjüdisches Volk im eigenen Land wie Moslems, Christen, Drusen und Tscherkessen! Kann sich denn die israelische Regierung herausnehmen, sich zwar als „jüdisches Kollektiv“ zu verstehen, wenn es ihr in einem Kontext gerade passend erscheint, aber genau dieselbe Floskel als „antisemitische Anfeindungen“ zu diffamieren, wenn es um die Abwehr von berechtigter Kritik geht?
  2. Besonders problematisch ist die Formulierung: „z.B. das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung“. Zu diesem „Beispiel“ („z.B.“), das gar keines ist, hätte es nämlich eines erklärenden „Beispiels“ bedurft, weil ansonsten diese Formulierung allzu kryptisch ist und niemand wissen kann, was sich alles dahinter verbirgt, zumal dann ja alles Mögliche als „Ziel antisemitischer Anfeindungen“ gebrandmarkt werden könnte.
    Nota bene: Israel ignoriert wesentliche UN-Resolutionen wie etwa die UN-Resolution 194 vom 11. Dez. 1948 (https://de.wikipedia.org/wiki/Resolution_194_der_UN-Generalversammlung, besonders Pkt. 10 und 11) oder konterkariert diese sogar permanent und systematisch durch gegensätzliche Politik, etwa durch die fortgesetzte völkerrechts­widrige Ansiedlung hunderttausender israelischer Staatsbürger in den okkupierten Gebieten Palästinas.
  3. Zum „kollektiven Verantwortlichmachen von Jüdinnen und Juden“ ist daran zu erinnern, dass – im Gegenzug – israelische Staatsorgane laufend Palästinenserinnen und Palästinenser „kollektiv verantwortlich machen“ durch kollektive Bestrafungen. Es kann nur empfohlen werden, die renommierte liberale israelische Tageszeitung Haaretz zu lesen (online englisch), darin sind laufend entsprechende Fälle dokumentiert.[5]

Nebenbei: Sie schreiben von „Doppelstandards“. Abgesehen davon, dass ein „doppelter“ Standard gerade das Gegenteil wäre von dem schon in der Bibel ausdrücklich verurteilten „zweierlei“ – nämlich unterschiedlichen – Maßstab, ist es gang und gäbe, dass die israelische Staatspropaganda („Hasbara“ – hebr. für „Erklärung“) ständig zweierlei Maßstab anlegt, indem sie für sich selber Rechte einfordert, die sie anderen (insbesondere dem palästinensischen Volk) nicht zugesteht.

[11] Konkrete Frage: Wäre die Kritik an der Nichteinhaltung der Resolution 194 ein „Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung“, und könnte einer solchen Kritik das „Ziel antisemitischer Anfeindungen“ unterstellt werden?[6]

[12] Zusammenfassend: Ist Ihnen bewusst, dass Sie mit Ihrer Formulierung: „das Recht des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung“, dem israelischen Staat gleichsam einen Blankoscheck ausstellen, eine Politik (im eigenen Land wie auch in den Besetzten Gebieten) zu betreiben, bei der dem palästinensischen Volk das Recht auf Selbstbestimmung definitiv aberkannt wird?

5. „Vergleiche zwischen der aktuellen Politik und der Politik der Nationalsozialisten“

Ich darf daran erinnern, dass sich ein punktueller „Vergleich“ keineswegs auf alle Einzelheiten eines Gleichnisses beziehen muss, sofern es sich nicht um einen Pauschalvergleich handelt. Ein Vergleich (oder eine Metapher) ist ein sprachliches Stilmittel. Jesus hat in dem „Gleichnis vom ungerechten Verwalter“ (Lk 16,1ff) nicht die Ungerechtigkeit des Verwalters gelobt, sondern nur dessen Klugheit. Wenn also das israelische Militär in den besetzten palästinensischen Gebieten oder in Gaza standrechtlich kollektive Bestrafungen exekutiert (was laufend vorkommt), warum darf man diesbezüglich nicht auf analoge Beispiele der Nationalsozialisten verweisen (ohne dass man deswegen pauschal Israel mit dem Hitlerreich gleichsetzt)? Wenn Sie Haaretz lesen, werden Sie laufend Beispiele dokumentiert finden, die an finsterste Verbrechen, Racheakte, Ver­treibungen und Massaker in der Geschichte erinnern. Empfehlenswert zum Thema Vertreibun­gen im Zuge der Staatsgründung 1948 ist die Dokumentation des israelischen Historikers Prof. Ilan Pappe: „Die ethnische Säuberung Palästinas“ (Westend Verlag, dt. Ausgabe 2019).

Dabei ist bemerkenswert, dass Israels „Hasbara“-Polemik selber „Vergleiche“ mit der NS-Zeit zieht:

1. Einen besonders arglistigen „Vergleich“ hat der Präsident von B'nai B'rith am Sonntag, den 13. Mai 2018, im großen Festsaal des Wiener Rathauses gezogen. Vor versammelten 500 Besuchern von Rang und Namen zum 70. Jubiläum der Staatsgründung Israels behauptete er pauschal, dass (wörtlich:) „BDS die [sic!] Nachfolgeorganisation der NSDAP“ sei – und niemand hat widersprochen oder ihn zur Rechenschaft gezogen! Die Vertreterin der Deutschen Botschaft, mit der ich anschließend gesprochen habe, hat bestätigt, dass ich mich nicht verhört hatte; im Übrigen gibt es einen Audio-Mitschnitt davon.

[13] So stellt sich die Frage: Ist diese ungeheuerliche Pauschal-Gleichsetzung eher als Hassausbruch gegen gewaltfreien Aktivismus zur Beendigung der Okkupation zu werten, oder handelt es sich eher um eine Verharmlosung der NSDAP?

Im Talmud heißt es (Sota 1,7): „Mit dem Maße, mit dem ein Mensch misst, misst [Gott] ihm.“

2. Ben-Gurion hielt Jabotinsky für einen „faschistischen Satan“ und die Revisionisten für „eine Partei von Nazis“ (Ben-Gurion: „Memoiren“ Bd. V, S. 220ff; Bd. II, S. 19ff., zitiert in: Tom Segev: „Es war einmal ein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels“, 1999 München, S. 421.)

3. 2012 verglich Dov Lior (s.u.) die westeuropäischen Regierungschefs mit „Nazikollaborateuren“.

4. Von 200 Rabbinern wurde Jassir Arafat nach seinem Tode als „Amalek und Hitler unserer Generation“ bezeichnet – nicht bloß verglichen! – und der Vorschlag gemacht, seinen Todestag als „Freudentag“ zu feiern. Das ist eine passende Überleitung zu den beiden nächsten Begriffen aus Ihrem „Selbständigen Entschließungsantrag“:

6. „Schüren von Hass und Vorurteilen“ und „Fremdenfeindlichkeit“

Apropos „zweierlei Maß“. Vor kurzem (am 16. Jänner 2020) war der bekannte Haaretz-Kolumnist Gideon Levy zu einem Vortrag im Wiener Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog einge­laden. Vor dicht gedrängtem Publikum berichtete er darüber, wie sich die Gesellschaft im Staate Israel durch die andauernde Okkupation des benachbarten Westjordanlandes zum Nachteil ver­ändert hat. Unter anderem schilderte er den Hass, die pauschalen Vorurteile und die Fremdenfeindlichkeit der Mehrheit der jüdisch-israelischen Gesellschaft gegen­über den Palästinensern im eigenen Land als auch ihre mentale Verdrängung des Problems der Unterdrückung des palästinensischen Volkes im besetzten Nachbarland durch die israelische Politik.

Man braucht nur zu recherchieren, wie extremistische, gewaltbereite jüdische Siedler im West­jordanland durch 'price tag'-Attacken (kollektive „Racheakte“ mittels Vandalismus und Graffitis) ganz bewusst Hass gegen Palästinenser schüren, insbesondere gegen christliche Araber, Kirchen und Klöster.[7] Manche dieser religiös-radikalnationalistischen Terroristen sind inzwischen sage und schreibe in höchste Kreise der israelischen Machtzirkel aufgestiegen und üben dort ihren Einfluss aus. Nachweise können erbracht werden.

[14] Daher stellt sich die Frage betreffend „zweierlei Maß“: Warum setzen sich die Verfasser/innen des „Entschließungsantrags“ nicht in gleicher Weise gegen dieses „Schüren von Hass und Vorurteilen“ durch maßgebliche israelische Eliten (sogar unter Knesset-Abgeordneten) ein?[8]

Nota bene: Wenn Antisemitismus eine „Form von Rassismus“ ist, dann sind Anti­arabismus und Antichristentum ebenfalls eine Form von Rassismus, ungeachtet von wem er toleriert, gefördert oder verbreitet wird, ohne Ansehen der Person. Den israelischen Eliten, die insbesondere seit 2015 an der Macht sind, ist zielgerichtet praktizierter Antiarabismus anzu­kreiden, ebenso wie allen, die sich in den Dienst dieser polemischen „Hasbara“-Propaganda stellen.

Im März/April 2018 hatte ich die Gelegenheit, im Rahmen einer Bildungsreise in Ostjerusalem einem Vortrag von Nurit Peled-Elhanan beizuwohnen. Sie ist die Tochter des verstorbenen IDF-Generals, Gelehrten und Politikers Mattityahu Peled und Friedensaktivistin wie ihr Vater in seinen späteren Jahren und wirkt als Professorin für Komparatistik an der Hebräischen Universität Jerusalem. Sie hat eine Studie über die Art und Weise verfasst, wie in israelischen Schulbüchern über Palästina und die palästinensische Bevölkerung berichtet bzw. desinformiert wird. Diese außerordentlich lesenswerte Studie wurde in Buchform veröffentlicht: „Palestine in Israeli school books. Ideology and propaganda in education”. London: I.B. Tauris, 2012, ISBN 978-1-78076-505-3, 268 S.

Bitte sehen Sie sich unbedingt dieses 28-minütige Interview auf YouTube aus dem Jahr 2011 an: https://www.youtube.com/watch?v=pWKPRC-_oSg. Wer ihre Ausführungen aufmerksam mitverfolgt hat, wird kaum noch dieselbe Einschätzung zum Thema „Schüren von Hass und Vorurteilen“ und „Fremdenfeindlichkeit“ in Israel haben können. Dazu einige Beispiele: In dem Schulbuch „Geography of the Land of Israel“ (übersetzt FW): „Der Premierminister sah in Arafat die Verkörperung Hitlers.“ (S. 252). „Die Aktion in Libanon schien [für Premierminister Menachem Begin] als Bewahrung [salvation] vor einem zweiten Auschwitz.“ [9] (S. 252). In dem Schulbuch „The Mediterranean Countries for the 5th Grade”, Seite 60, ist eine Landkarte des Staates Israel einschließlich der besetzten palästinensischen Gebiete unterscheidungslos farblich gleich abgebildet.

Zwar ist dieses Interview mit Frau Nurit Peled-Elhanan schon bald zehn Jahre alt, doch die Situation betreffend „Schüren von Hass und Vorurteilen“ gegen alles „Nichtjüdische“ hat sich seither nicht gebessert, sondern dramatisch verschlechtert, insbesondere als der Likud-Politiker und langjährige Premierminister Benjamin Netanjahu seit 2015 zunehmend einflussreiche Vertreter der religiös-extremen Rechten in seine Politik miteinbezogen hat.

Bei dieser Entwicklung handelt es sich um keine Einzelfälle. Vielmehr haben die Erben der religiös-fundamentalistischen Vordenker um die Rabbiner A.I. Kook, J.J. Kook, O. Josef und M. M. Schneerson längst erfolgreich die Institutionen durchschritten und sind mit ihrem politischen Einfluss in Israels Elite angekommen. Dazu weitere Belege:

Im Jahr 2009 haben zwei Rabbis, Yitzhak Shapira und Josef Elitzur, in Israel ein 230seitiges Buch mit dem Titel „Torat HaMelech“ veröffentlicht („Das Gesetz des Königs“). Der Titel wurde ein Bestseller und erschien bald in der zweiten Auflage. Die Halacha (das rabbinisch-jüdische Gesetz) wird darin als Quelle zitiert. Das Hauptthema dreht sich um das sechste Gebot „Du sollst nicht töten“ und, ob und wann es erlaubt sei, das Leben von Nichtjuden zu nehmen. Nach Rabbi Yitzhak Shapira kommt „Nichtjuden von Natur aus kein Mitleid zu; sie sollten getötet werden, um ihre üblen Neigungen einzuschränken.“ „Wenn wir einen Einheimischen (Eingeborenen) töten, der eines der sieben ['noachidischen'] Gebote übertreten hat […] ist nichts Falsches dabei,“ beharrt Shapira und erklärt: „Das Töten von Babys ist gerechtfertigt, wenn es klar ist, dass sie als Erwachsene uns Leid antun. In solch einer Situation kann ihnen absichtlich Leid zugefügt werden, nicht nur während eines Kampfes mit Erwachsenen.“

Shapira führt die Religionsschule Yeshiva Od Yosef Chai der als besonders radikal und gewalt­tätigen Siedlung Yitzhar, die über eine kleine Armee von Fanatikern verfügt, die gerne gegen die Palästinenser, ihre Ernte und ihre Haustiere in den Tälern zuschlägt. Die Siedlung gilt als Epi­zentrum der sogenannten „Preisschild-Attacken“ („Price Tag“).[10] Obwohl Shapiras Yeshiva als eine Art Terrortrainingsinstitut bezeichnet werden kann, ist sie 2007 bis 2010 mit nahezu 50.000 Dollars vom israelischen Sozialministerium und vom Erzie­hungsministerium zwischen 2006 und 2007 mit mehr als 250.000 Dollar in die Yeshiva-Kassen gefördert worden. Außerdem hat sie auch großzügig von ameri­kanischen Spenden, die steuerfrei sind, aus dem Central Fund of Israel profi­tiert. 2006 war Shapira kurz von der israelischen Polizei festgehalten worden, weil er seine Unter­stützer dazu gedrängt hatte, alle Palästinenser über 13 Jahre zu ermorden. Zwei Jahre später unterzeichnete er – laut der Tageszeitung Haaretz – einen rabbinischen Brief, der israelische Juden unterstützte, die am Holocaustgedenktag zwei arabische Jugendliche brutal ermordet hatten. Trotz seines langen Engagements im Terrorismus (oder vielleicht genau deshalb), zählt Shapira Israels führende fundamentalistische Rabbiner zu seinen Unterstützern.

Nachdem Shapira von der israelischen Polizei kurz verhaftet und wieder freigelassen wurde und zwei führende, sein Buch (s.o.) unterstützende Rabbiner, Dov Lior (er hatte ein lobendes Vorwort geschrieben) und Yaakov Yosef, vom Inlandsgeheimdienst zu einem Verhör eingeladen wurden (aber fernblieben), beriefen die Rabbiner in Jerusalems Ramada Renaissance Hotel einen Kongress mit 250 Unterstützern ein, einschließlich des rechtsextremen israelischen Knesset-Mitglieds Michael Ben-Ari. Die Versammlung endete mit Rufen nach Mord nicht nur an Nichtjuden, sondern auch an säkularen Juden. Einige Monate, nachdem Lior der Vorladung ferngeblieben war, wurde er im Juni 2011 festgenommen und eine Stunde lang wegen des Verdachts der Aufstachelung zur Gewalt einvernommen. Dies verurteilten die israelischen Oberrabbiner als „schwere Straftat gegen die Ehre eines der wichtigsten Rabbiner.“ Als Reaktion auf die Einvernahme blockierten 300 seiner Anhänger die Zugangsstraße nach Jerusalem und versuchten, im Obersten Gericht einzudringen. Auf einer Versammlung erklärte Lior: Rabbinern, die eine religiöse Forschung [sic!] veröffentlichen, vorzuwerfen, sie propagierten Rassismus und Gewalt, gehört in die barbarische Welt der sogenannten aufgeklärten Völker. Dies ist eine infame Bezichtigung.“

Dov Lior ist Leiter der Religionsschule Shavei-Hevron Yeshiva und Rabbiner von Kiryat Arba, einer radikalen jüdischen Siedlung und Brutstätte für jüdischen Terrorismus nahe der besetzten palästinensischen Stadt Hebron. Liors Begeisterung für Shapiras Buch stammt von seiner eigenen ausschließenden Haltung gegenüber Nichtjuden. Beispielsweise instruierte er die Soldaten, während er bei der IDF als oberster Rabbi diente: „In Kriegszeiten gibt es keine Zivilisten“, „eintausend nichtjüdische Leben sind nicht so viel wert wie ein jüdischer Fingernagel.“ Die wenigen Nichtjuden, deren Leben Lior schonen würde, wären gefangene palästinensische Militante, die für medizinische Experimente verwendet werden könnten, wie er einmal vorschlug.

Zudem ist Dov Lior auch Vorsitzender des Rates der Rabbiner von den Besetzten Gebieten (die der Staat Israel anachronistisch „Judäa und Samaria“ nennt). Er ist einer der radikalsten jüdischen Siedler. Einige weitere seiner Ansichten:

  • Er erlaubt Soldaten, den Befehl zur Räumung eines illegalen Außenpostens zu verweigern, und verbietet es, Wohnungen an Araber zu vermieten oder sie zu beschäftigen.
  • 2005 hatte Lior eine „Säuberung“ Israels (das für ihn die besetzten Gebiete einschließt) von allen Arabern gefordert: Diese seien in Länder umzusiedeln, „aus denen sie gekommen sind“ – anders sei kein Frieden möglich.[11]
  • 2012 verglich Lior die westeuropäischen Regierungschefs mit „Nazikollaborateuren“, Araber nannte er „böse Kameltreiber“.[12] Er vertritt die Auffassung, dass jüdische Frauen keine Samenspenden von Nichtjuden zur Reproduktion verwenden dürften. Ein derartig erzeugtes „Mischlingsbaby“ würde die negativen genetischen Eigenschaften eines Nichtjuden in sich tragen. Das Sperma von Ungläubigen würde zu barbarischen Nachkommen führen.
  • 2014 veröffentlichte er unter Bezugnahme auf die israelische Militäroperation „Protective Edge“ gegen den Gazastreifen ein halachisches Rechtsgutachten, demzufolge sei als Reaktion auf einen bewaffneten Angriff keine Zurückhaltung geboten, sondern die komplette Zerstörung des Gazastreifens einschließlich der Eliminierung der Zivil­bevölkerung gerechtfertigt.

Nur wenige Tage vor den Verhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen Behörde in Washington Anfang September 2010 hielt Yaakofs 88-jähriger Vater Ovadiah Yosef, der Langzeitführer der ultra-orthodoxen Shas-Partei, seine wöchentliche Rede. Mit charakteristischer Bissigkeit erklärte er: „All diese üblen Leute sollten aus dieser Welt verschwinden […] Gott sollte sie mit der Pest schlagen, sie und diese Palästinenser.“

Das palästinensisch-israelische Knesset-Mitglied Jamal Zehalka verlangte daraufhin, dass der isra­elische Staatanwalt Yehuda Weinstein Ovadia Yosef wegen Aufhetzung vor Gericht bringt. „Hätte ein muslimischer Geistlicher – um Himmels Willen – antijüdische Bemerkungen dieser Art gemacht, wäre er sofort verhaftet worden.“ Der amtierende Premierminister Benjamin Netanjahu distanzierte sich von all diesen genozidalen Forderungen nicht – aus durchsichtigem (koalitio­närem) Kalkül. Halten wir also fest:

Die israelische Justiz lässt diese ethno-chauvinistische Hasskultur zunehmend unbehelligt, je mehr Kahanismus, Kookismus und die „Hilltop“-Ideologie (Noar haGvaot) salonfähig werden und die Institutionen des Staates unterwandern.

7. „Boykott“

Nachfolgend einige aktuelle Vergleiche, um ein Schlaglicht auf die einseitige, verzerrte Darstellung des Boykotts in Ihrem „Selbständigen Entschließungsantrag“ zu werfen:

  • Nachdem Russland völkerrechtswidrig die ukrainische Halbinsel Krim militärisch besetzt und in weiterer Folge annektiert hat, wurde sie von der EU und anderen Staaten boykottiert. Warum? Um Russland zu „zerstören“? Natürlich nicht, sondern um auf die Politik Russlands Druck auszuüben, die Völkerrechtskonformität wiederherzustellen.
  • Wenn Polens und Ungarns Regierungen Menschenrechte einschränken, sich nicht an EU-Vereinbarungen halten, das Justizsystem umbauen wollen und die Pressefreiheit beschneiden, werden sie von EU-Institutionen auf verschiedene Weise „boykottiert“. Handelt es sich dabei um „Hass gegen die Polen“ oder „gegen das ungarische Volk“? Natürlich nicht, sondern (hoffentlich) um die Durchsetzung und Wiederherstellung allgemein anerkannter demokratischer Freiheitsrechte und der Unabhängigkeit der Justiz.
  • Wenn Shell Oil einen ausgedienten Öl-Bohrturm einfach im Ozean versenkt statt sachgerecht an Land zu entsorgen, und wenn derselbe multinationale Konzern durch seine Erdöl-Förderung in Nigeria dazu beiträgt, die Lebensgrundlagen des Volkes der Ogoni zu vernichten (lesenswert das Buch: „Flammen der Hölle“ des Bürgerrechtlers und Umwelt­schützers Ken Saro-Wiwa), dann haben wir wohl die demokratische Freiheit, bei keiner Shell-Tankstelle zu tanken, sondern anderswo – sprich: Shell Oil zu boykottieren.
  • Wenn wir die Wahl haben, Datteln und Oliven statt aus den israelischen Siedlungen („Jewish Settlements“) des Westjordanlandes, die auf Basis jahrzehntelangen, andauernden Landraubs am palästinensischen Volk angelegt worden sind, vielmehr aus Palästina oder Tunesien zu kaufen – was soll daran „antisemitisch“ sein?

[15] Warum setzen Sie und Ihre Abgeordneten-Kollegen/innen sich mit diesem Antrag dafür ein, Menschen und Aktivisten zu kriminalisieren, denen es einzig und allein um Gerechtigkeit und das Ende der Apartheid-Politik der israelischen Regierung geht?

„Apartheid“ hat die Politik Israels schon 2006 der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter als Menschenrechtsbeauftragter genannt[13], und mittlerweile ist der diesbezügliche Zustand, so die Ausführungen von Gideon Levy (s.o.), noch dramatisch schlimmer geworden. Nachdem Gideon Levy die Diskriminierungen geschildert hatte, fragte er: „Wenn das nicht Apartheid ist – was ist es dann?“

[16] Und wenn schon – warum setzen Sie sich dann nicht ebenso dafür ein, die vielfältigen Boykotte der israelischen staatlichen Institutionen gegen das palästinensische Volk zu kriminalisieren?

Ungleiche Gewichtungen sind schon in der Torah vehement verurteilt und bestraft worden. In der Politik Israels sind sie gang und gäbe. Dazu ein Beispiel:

  • Mitte der 1920er Jahre trat Ben-Gurion in Palästina dafür ein, dass die jüdischen Unter­nehmer keine arabischen Arbeiter mehr einstellen sollten, sondern nur noch jüdische (obwohl es den Prinzipien des Sozialismus widersprochen hat, die arabischen Arbeiter zu diskrimi­nieren). Norman Bentwich, zu dieser Zeit britischer Generalstaatsanwalt der Mandats­verwaltung und damit führender Jurist in Palästina, bezeichnete – obwohl selber Zionist – das Prinzip der rein jüdischen Arbeit als „wirtschaftliche Apartheid“. Im Gegenzug bezeichneten die Zionisten die Beschäftigung arabischer Arbeitnehmer als Avoda Sana, was wörtlich „Fremdarbeit“ bedeutet, zugleich aber der rabbinische Ausdruck für Götzendienst ist.

Zum Vergleich: Die EU-Kommission hat 2015 bloß eine Kennzeichnungspflicht für Obst, Gemüse und Kosmetika aus den völkerrechtlich illegalen jüdischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten beschlossen, die die Palästinenser für einen künftigen Staat beanspruchen, sodass diese Produkte nicht „Made in Israel“ sind. Mit den beschlossenen Richtlinien wurde bestehendes EU-Recht umgesetzt; sie gehen auf eine Entscheidung der EU-Außenminister aus dem Jahr 2012 zurück. Wie reagierte die israelische Administration? >>>

  • „Die EU sollte sich schämen“, teilte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit. Er verglich diese Entscheidung mit der Nazi-Aufforderung: „Kauft nicht bei Juden!“
  • Die israelische Vizeaußenministerin Tsipi Hotoveli ließ wissen: Wer auf diese Produkte „ein Label klebt, stigmatisiert ganz Israel.“
  • Der frühere Außenminister Avigdor Lieberman sagte, die geplante Vorschrift erinnere ihn an den gelben Stern, den Juden zur Zwangskennzeichnung im deutschen Nationalsozialismus tragen mussten.

Ein Faktencheck zeigt:

Der Nazi-Aufruf zielte auf die bewusste Schädigung und Vernichtung der jüdischen Mitbürger.

Bei dem Boykott gegen Israel geht es jedoch einzig und allein um die Forderung nach Gleich­berechtigung aller seiner Staatsangehörigen und um das Ende der Okkupation.

Diesem legitimen Anliegen die Absicht der „Vernichtung von ganz Israel“ zu unterstellen, verurteilt sich von selbst. Diese „Gleichsetzung“ mit dem NS-Regime entspricht der üblichen Verteidigungslinie Israels um jeden Preis und scheint die Erfahrung zu bestätigen, dass es offenbar keine Zurückhaltung in dem Versuch gibt, Gegner der Okkupationspolitik zu kompromittieren und zu kriminalisieren.

Umgekehrt hat die oben genannte Lehava Organisation zur Prävention von Assimilation im Heiligen Land Stadtkarten ausgearbeitet, auf denen Geschäfte farblich separat ausgewiesen sind, die keine Araber beschäftigen. Gopstein (s.o.), der Initiator des Projekts, argumentiert: „Wir setzen tatsächlich nur die Tradition von Ben-Gurion fort und machen damit weiter, alle, die Juden beschäftigen, als eine bestätigende Aktion zu unterstützen.“ Gopsteins ideologischer Mentor, Rabbi Meir Kahane, hatte für eine völlige Trennung zwischen Juden und Nichtjuden gekämpft.

Abschließend eine vielbestätigte Erfahrung aus der Geschichte des Nahost-Konflikts: Das Einzige, das die Israelis in ihrer Kriegspolitik stoppen konnte, war Druck von außen. Dazu drei Beispiele:

  • Was hat die israelische Armee im Libanon-Krieg letztlich gestoppt und damit verhindert, Beirut und womöglich ganz Libanon zu erobern, um ihn dem Staat Israel einzuverleiben, wie es Gusch Emunim gefordert hatte? Der außenpolitische Druck vor allem von Russland.
  • Während des „Jom-Kippur-Krieges“ im Oktober 1973 hatte die israelische Regierungschefin Golda Meir 15 Atombomben mit Reichweite bis Damaskus und Kairo einsatzbereit stellen lassen. Erst auf Druck der USA, die davon erfahren hatten (und weil sie zugesagt hatten, Israel statt dessen konventionelle Waffen zu liefern), nahm Israel davon Abstand, sie einzusetzen.
  • Am 22. Oktober 1973 rief der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Resolution 338 auf Druck der Vereinigten Staaten alle Parteien auf, das Feuer einzustellen.

[17] Wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt, die Annexion palästinensischer Gebiete und die Unterdrückung der Bevölkerung durch Israel zu stoppen, wie können dann Boykotte „antisemitisch“ sein, wie sie auch anderswo eingesetzt werden (sogar von der UNO wie gegen den Irak in den 1990er Jahren)?

8. „BDS“

Über BDS ist m.W. bekannt, dass es von der palästinensischen Zivilgesellschaft ausgeht. In dem „Selbständigen Entschließungsantrag“ wird – ohne einen seriösen Nachweis für diese Anschuldigung zu erbringen – BDS quasi kriminalisiert und ihm nachgesagt, dass es sich „antisemitischer Muster bedient“. Das ist – nicht zuletzt nach biblischem Rechtsverständnis – besonders verwerflich (wir kennen aus der Bibel dieses unrechtmäßige Vorgehen von Justiz­verbrechen der israelitischen Eliten gegen Nabot, Jesus und Stephanus, um nur drei der schlimmsten zu nennen).

[18] Erklären Sie bitte, inwiefern und aufgrund welcher (falscher?) Anschuldigungen BDS „Israel dämonisiert“, andernfalls ist dieser Vorwurf korrekterweise zurückzunehmen.

Meines Wissens vertritt diese Organisation (BDS) Gewaltfreiheit und fordert im Wesentlichen das Ende der Okkupation.

[19] Was soll daran unrechtmäßig, kriminell oder antisemitisch sein?

[20] Wie kann etwas antisemitisch sein, wofür sich auch liberale jüdische Mitbürger/innen, namhafte Medienleute und Professoren einsetzen? Einige Beispiele unter vielen: Gideon Levy, Ilan Pappe, Moshe Zuckermann, Rolf Verleger, die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ und sogar Knesset-Abgeordnete.

 

 

 

Zusammenfassung und Appell

Sehr geehrte Abgeordnete zum Nationalrat,

Neutral betrachtet entspricht der „Selbständige Entschließungsantrag“ exakt und bis in den Wortlaut der bekannten Propaganda der israelischen „Hasbara“[14], der mehr als sechzig Millionen Dollar jährlich für ihre weltweite Lobby-Tätigkeit zur Verfügung steht, um der Welt die Politik Israels zu „erklären“. Ihre Formulierungen klingen, wie wenn Ihnen derartige Kreise den Text mehr oder weniger vorgegeben hätten.

Mit diesem – pardon – Machwerk haben Sie und Ihre Mitverfasser/innen nach meinem Rechts­verständnis gegen die gebotene Objektivität grundlegend verstoßen.

1. Gemäß biblischer (und demokratischer) Rechtsprechung muss jedoch der Angeklagte vor einer Verurteilung zu einer Stellungnahme aufgefordert werden. (Das geschah sogar beim Prozess gegen Jesus vor dem Synedrium.) Sie jedoch treten in die Rolle des Anklägers und Richters zugleich und fordern darüber hinaus auch gleich die Exekution der Bestrafung – das ist dreifach rechtswidrig.

Durch nur einen Zeugen (entspricht in diesem Fall der Israel-Lobby) ist bekanntlich eine Anklage zurückzuweisen, denn „aufgrund [mindestens] zweier oder dreier Zeugen ist jede Sache festzustellen“, das ist eine in der Bibel mehrfach betonte, unabdingbare Bedingung, während einseitige Parteilichkeit in Rechtsangelegenheiten schärfstens verurteilt wird. Die entsprechenden Schriftstellen im Alten wie im Neuen Testament werden Ihnen wohl bekannt sein.

Sie haben aber offenbar nicht einmal das Selbstverständnis und die Ziele von BDS nachge­prüft, geschweige denn in Ihrem Entschließungsantrag berücksichtigt. Damit laufen Sie – im äußersten Fall – Gefahr, sich der Verleumdung schuldig zu machen. Wollen Sie das – als Volksver­treter/innen – riskieren, indem Sie diesen „Entschließungsantrag“ beibehalten?

2. In zweiter Hinsicht haben Sie die Seite der Opfer der israelischen Okkupation verschwiegen, nämlich das palästinensische Volk, um dessentwillen die Boykotte überhaupt begonnen hatten. Das ist ein nicht weniger schwerwiegendes Versäumnis.

 

Ich erinnere an drei Zitate namhafter Persönlichkeiten:

„Wir müssen Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit und Objektivität
zu den obersten Prinzipien unseres politischen Handelns machen.“

Aus der Antrittsrede Bundespräsident Thomas Klestils
vor der Österreichischen Bundesversammlung.

„Wer auch nur passiv zum Bösen schweigt, macht sich ebenso schuldig wie der, der mithilft, es zu tun. Wer das Böse ohne Widerspruch hinnimmt, arbeitet in Wirklichkeit mit ihm zusammen.“

Martin Luther King

„Die Liebe freut sich nicht über das Unrecht,

sondern sie freut sich vielmehr mit der Wahrheit.“

Paulus von Tarsus, Schüler des hochgeachteten jüdischen Schriftgelehrten Gamaliel I.

Zum Abschluss sei an das biblische Prinzip erinnert, dass es Friede nur durch Gerechtig­keit geben kann! Darum haben sich die Propheten Israels und schließlich Jesus stets auf die Seite der Schwächeren, Benachteiligten und Unterdrückten gestellt. Mit Ihrem „Selbständigen Entschließungsantrag“ vertreten Sie jedoch die Seite der Stärkeren, der kolonialistischen Ausbeuter und der Unterdrücker und decken deren Unrechtmäßigkeiten.

Eine zeitnahe Antwort auf die 20 Fragen zum Zweck eines weitergehenden Dialogs erwartend, verbleibt mit freundlichem Gruß

Fritz Weber

 

PS.:

Diese Ausführungen – besonders wichtig: die Abschnitte 3 bis 6 – sind als eine von mir nach bestem Wissen und Gewissen aufgrund von überprüfbaren Tatsachen zusammengestellte Materialsammlung zu betrachten.                                             © fwweber (a) web.de

 

[1] Zuckermann, Moshe: „Antisemit! Ein Vorwurf als Herrschaftsinstrument“. Promedia Verlag, Wien, 2010.

[2] Der israelische Staat, wie er sich seit seiner Gründung entwickelt hat, widerspricht der ursprünglichen Vision Theodor Herzls – und der israelischen Unabhängigkeitserklärung von 1948! – eklatant, denn darin ist davon die Rede, dass der Staat Israel „auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestützt sein [wird]. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen.“

Aber was waren „die Visionen der Propheten Israels“? Hesekiel weissagte für die Zeit nach Ende des Exils:

„Und dieses Land sollt ihr unter euch aufteilen nach den Stämmen Israels. Und es soll geschehen: Ihr sollt darüber das Erblos fallen lassen unter euch und den Fremdlingen, die sich in eurer Mitte aufhalten, die in eurer Mitte Söhne geboren haben. Und sie sollen euch wie Einheimische sein unter den Söhnen Israels. Bei euch soll ihnen das Erblos zufallen mitten unter den Stämmen Israels. Und es soll geschehen, in dem Stamm, bei dem sich der Fremdling aufhält, dort sollt ihr ihm sein Erbteil geben, [ist der] Spruch des Herrn, Jahwehs.“ (Hes 47,21-23).

[3] In diesem Zusammenhang ist zu empfehlen, den bemerkenswerten Essay von Bryan Klug vom 20. Oktober 2019 zu studieren: „Was es bedeutet zu sagen, Israel habe ein Existenzrecht“. Bryan Klug ist Senior Research Fellow an der St. Benet’s Hall in Oxford, Mitbegründer der Independent Jewish Voices und einer der HerausgeberInnen von ‘A Time to Speak Out’.

[4] Mit Stand vom Januar 2019 haben von den 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen 137 Staaten Palästina als unabhängigen Staat anerkannt, unter anderem Schweden. Das Europäische Parlament unterstützt grundsätzlich die Anerkennung der palästinensischen Eigenstaatlichkeit.

[5] Zum Beispiel: “Israel's Collective Punishing Exacts Price From This East Jerusalem Neighborhood”, 1. Juli 2019, https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-israel-s-collective-punishing-exacts-price-from-this-east-jerusalem-neighborhood-1.7425731

[6] Aus der israelischen Unabhängigkeitserklärung: „Der Staat Israel wird bereit sein, mit den Organen und Vertretern der Vereinten Nationen bei der Durchführung des Beschlusses vom 29. November 1947 zusammenzuwirken und sich um die Herstellung der gesamtpalästinensischen Wirtschaftseinheit bemühen. […] Wir reichen allen unseren Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand zum Frieden und zu guter Nachbarschaft und rufen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Hilfe mit dem unabhängigen hebräischen Volk in seiner Heimat auf.“ Aber wo finden wir die Verwirklichung dieser Absichts­erklärung in der bis heute „real existierenden Politik“ Israels?

[7] ‚Price Tag‘-Graffitis haben zeitweise epidemische Ausmaße angenommen. 2012 war an einem Tor nahe des Franziskaner­klosters auf Mount Zion südwestlich der Jerusalemer Altstadt geschmiert: „Jesus, son of a bitch, price tag“, ein Monat davor mit einer ähnlichen Aufschrift an der Trappistenabtei von Latrun, westlich von Jerusalem. Dies soll nach Meinung jüdischer Extremisten eine „Antwort“ auf die (angeblich) „pro-palästinensische [sic!] Regierungspolitik“ gewesen sein. https://www.haaretz.com/j-lem-church-marred-with-hate-graffiti-1.5174277.

[8] Dazu folgendes Beispiel: Michael Ben-Ari (geb. 1963 als Sohn jüdischer Einwanderer aus Zentralasien) ist ein israelischer Politiker. Er hat Universitätsabschlüsse in Erziehungswissenschaften und Talmudwissenschaften und promovierte in Philosophie. Als Schüler von Rabbi Meir Kahane (1932-1990) vertritt er dessen rassistische Positionen und einen radikalen religiösen Zionis­mus und hat Studien zur Errichtung „Großisraels“ angefertigt. Während seiner Zeit als Knesset-Abgeordneter (ab 2009) und danach fiel er mit provokanten antichristlichen und rassistischen Botschaften auf wie: „Das verfluchte Christentum“, „Für jeden Toten auf unserer Seite müssen wir fünfhundert [Palästinenser] töten, nicht nur sechs“. Die nationalistisch-religiöse Partei „Otzma Jehudit“, die er 2012 mitgegründet hat und die als rechtsextrem und rassistisch eingestuft wird, steht dem Kahanismus nahe. Sie fordert u.a. die Stärkung des jüdischen Charakters des Staates Israel, die jüdische Besiedlung aller Teile des Landes Israel sowie eine Intensivierung jüdischer Erziehung an staatlichen Schulen. Außerdem setzt sich die Partei für die Wiederherstellung jüdischer Souveränität auf dem Tempelberg in Jerusalem ein. Sie befür­wortet einen „totalen Krieg“ – „ohne Verhandlungen, Konzessionen oder Kompromisse“ – gegen die „Feinde Israels“ und will jene Araber, die dem Staat Israel „feindlich und illoyal“ gegenüber stehen, in arabische Länder „umsiedeln“. Der Staat Israel müsse sich an „jüdischer Moral“ und „jüdischen Werten“ orientieren und „jüdische Interessen“ vertreten.

Ben-Ari war es, der vor laufender Kamera in der Knesset, dem israelischen Parlament, demonstrativ ein Neues Testament zerrissen und in den Müll geworfen hatte, das von der Bibelgesellschaft in Israel verteilt worden war.

[9] Unter „Aktion“ war der Angriffskrieg Israels im Juni 1982 gemeint, obwohl Israel keineswegs in seiner Existenz bedroht war. Der israelische Generalstabschef Rafael Eitan ignorierte die Ermächtigung des Verteidigungs­ministers, eine 40-km-Beschränkung für den Vormarsch einzuhalten. Die israelischen Truppen durchquerten die entmilitarisierte Zone der UNIFIL und drangen in den Libanon vor. Die Resolution 509 des UNO-Sicherheitsrats zum sofortigen Rückzug ignorierte Israel ebenfalls und setzte insgesamt neun Divisionen mit rund 78.000 Soldaten in Marsch. Kriegsziel war die vollkommene Zerstörung der PLO-Infra­struktur im gesamten Libanon und die Vertreibung der Syrer, um so ein proisraelisches Regime im Libanon installieren zu können. Die Luftwaffe setzte Clusterbomben zur Bombardierung der Hauptverkehrsstraße aus dem umkämpften Beirut ein, um Absetzbewegungen der PLO zu verhindern. Erst die schweren israelischen Bombardierungen im Stadtzentrum veranlassten die USA, die israelische Zustimmung zur Entsendung multinationaler Streitkräfte in den Libanon zu erzwingen, die den Abzug der PLO aus dem Land überwachen sollten. Die Ironie der Geschichte: Das verbliebene Vakuum sollte später die vom Iran unterstützte Hisbollah ausfüllen.

[10] “Yitzhar settlement viewed as epicenter of surge in ‘price tag’ attacks” (https://www.timesofisrael.com/yitzhar-settlement-viewed-as-epicenter-of-...).

[11] Kobi Nahshoni: “Rabbi: Cleanse country of Arabs”, in: Ynetnews vom 27. November 2007, abgerufen am 21. März 2017 (englisch)

[12] “Rabbi Lior: Arabs are ‘evil camel riders’“ (en) Ynetnews.com. Abgerufen am 1. August 2012.

[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4stina_%E2%80%93_Frieden,_nicht_Ap....

[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Hasbara.