Kriegsverbrechen untersuchen

Israel verweigert Zusammenarbeit mit UN-Kommission, Hamas will kooperieren

Von Karin Leukefeld *

 

Zwei Monate nach ihrer Beauftragung Anfang April, ist eine Kommission des UN-Menschenrechtsrates im Gazastreifen eingetroffen. Sie geht Vorwürfen von Kriegsverbrechen Israels und der Hamas nach, die während des dreiwöchigen Gazakrieges begangen worden sein sollen. Die vierköpfige Kommission wird von dem südafrikanischen Richter Richard Goldstone geleitet, dem früheren Chefankläger der Internationale Tribunals zu Jugoslawien und Ruanda. Goldstone ist jüdischen Glaubens, was Israel gleichwohl nicht bewegen konnte, die Kommission durch Israel in den Gazastreifen einreisen zu lassen. Gaza ist seit mehr als zwei Jahren von israelischen Truppen abgesperrt; dort lebende Palästinenser bezeichnen das Gebiet als großes »Freiluftgefängnis«. Einziges Ziel der UN-Untersuchung sei, sein Land anzuklagen, kritisierte Yigal Palmor, Sprecher des israelischen Außenministeriums gegenüber dpa. So eine »Maskerade« werde man nicht mitmachen. Hamas-Sprecher Fawzi Barhoum erklärte hingegen, die Hamas werde mit der UN-Kommission kooperieren.

 

 

Weil Israel die Durchreise in den Gazastreifen verweigerte, fuhr die Gruppe schließlich über den von Ägypten kontrollierten Grenzposten Rafah. Eine Woche soll die Kommission im Gazastreifen bleiben ein erster Bericht wird im August erwartet. Geplant sind Treffen mit allen beteiligten Gruppen sowie Nichtregierungsorganisationen, UN-Vertretungen, Opfern und Augenzeugen, die Zeugnis über mögliche Verletzungen des humanitären Völkerrechts und Verbrechen an der Menschlichkeit ablegen können. Mehr als 1400 Palästinenser wurden während des Gaza-Krieges zu Jahresbeginn getötet, ein Drittel von ihnen Kinder. Auf israelischer Seite gab es 13 Tote, darunter zehn Soldaten, von denen vier versehentlich von eigenen Leuten getötet worden waren. Mehr als 5000 Palästinenser wurden zum Teil schwer verletzt und werden ihr Leben lang an den Folgen zu tragen haben. Tausende Häuser und Betriebe wurden zerstört auch vor Schulen, Krankenhäusern und Moscheen machte das israelische Militär nicht halt. Amnesty International hatte kürzlich erklärt, der israelische Angriff habe den Gazastreifen »an den Rand der Katastrophe« gebracht. AI kritisierte auch die seit 2007 anhaltende israelische Belagerung, die jetzt den Wiederaufbau behindere.

 

 

Die Bürgerrechtsbewegung für die vollständige Abschaffung von Nuklearbomben geht davon aus, daß der Boden des Gazastreifens mit bis zu 75 Tonnen radioaktivem Material verseucht sein könnte. In einem Bericht, der demnächst veröffentlicht werden soll, heißt es, Boden- und Staubproben, die im Auftrag der Arabischen Kommission für Menschenrechte von unabhängigen Wissenschaftlern Anfang April im Gaza-Streifen genommen worden waren, seien hochgradig durch abgereicherte Uranmunition (DU) verseucht. Die Proben ergaben Anteile des radioaktiven DU und Caesium, außerdem fand man Asbest, Phosphat und andere krebserregende Stoffe. Die Untersuchungen bestätigen Berichte des norwegischen Arztes Mads Gilbert, der während des Krieges im Shifa-Krankenhaus in Gaza Stadt gearbeitet und berichtet hatte, daß er im Blut von Opfern der Angriffe radioaktive Spuren festgestellt habe.

 

 

* Aus: junge Welt, 4. Juni 2009