Schwedischer Antisemitismus oder ein weiteres israelisches Verbrechen?

Die Reaktionen der israelischen Regierung auf den schwedischen Zeitungsbericht über den Handel mit Organen palästinensischer Getöteter (1) ähneln in ihrem karikaturistischen Ausmaß der Reaktion einiger islamischer Länder auf die geschmacklosen dänischen Mohammad-Karikaturen. So eine Reaktion war von einer Besatzungsmacht zu erwarten, die seit Jahren unbestraft für mehrere Kriege und Menschenrechtsverletzungen in der Region verantwortlich ist.

 

 

Hier den Antisemitismusvorwurf zu erheben, ist eine Farce. Dieser wurde inflationär im Zusammenhang mit der Verurteilung der israelischen Angriffskriege im Libanon und im Gazastreifen gebraucht sowie gegen jede Kritik an der israelischen Politik gegen die palästinensische Bevölkerung. Das verhängte kollektive Einreiseverbot für schwedische Journalisten unterscheidet sich nicht von anderen Vorgehensweisen militärischer Regime gegen Medien, die auf unangenehme Weise über etwaige Verbrechen berichten.  Beängstigend ist jedoch das Schweigen der europäischen Presse zu einer erpresserischen Forderung der israelischen Regierung, die tief in die europäische Pressefreiheit eingreift. Im Gegenteil: der italienische Außenminister Franco Bertini meldete sich freiwillig mit der Initiative (2), beim nächsten EU-Ministertreffen eine Erklärung abzugeben, die den Zeitungsbericht verurteilt und das Vorgehen gegen „Antisemitismus“ in Europa verspricht.

 

 

Bertini forderte die Journalisten zu „Eigenverantwortung“ auf, damit ähnliche Artikel nicht solchen Kräfte dienen, die „gegen die Juden agitieren und gegen Israel und sein Existenzrecht sind“.

 

 

Eine inhaltliche Diskussion über den Artikel und darüber, inwieweit die erhobenen Vorwürfe richtig sind, oder auch nicht, hat es bisher nicht gegeben. Es geht um Selbstzensur, damit Israel und sein Image nicht gefährdet werden.

 

 

Der Artikel des schwedischen Journalisten Donald Boström in der Zeitung Aftonbladet (3) enthält tatsächlich ernsthafte Anschuldigungen gegen „die einzige Demokratie im Nahen Osten“. Er berichtet von Gesprächen mit Palästinensern, deren Angehörige von der Nähe angeschossen, lebendig abtransportiert und in Leichensäcken zurückgebracht wurden (4). Die Familien berichten ebenfalls von Körpern, an denen Autopsien durchgeführt wurden und die Nieren fehlten.

 

 

Boström geht ein Stück weiter und bringt dies mit israelischen und internationalen Organhandelsnetzen in Verbindung. Sein Artikel beginnt mit der Beschreibung des US-Netzwerkes von Levy Izhak Rosenbaum, der Ende Juli in Brooklyn vom FBI wegen illegalen Organhandels verhaftet wurde. Rosenbaum hat unter anderem Nieren aus Israel illegal importiert und in den USA verkauft (5). Boström beschuldigt die israelischen Armee, mit dem Organhandel Geschäfte zu machen und dafür auch gezielt zu töten.

 

 

Dass bei getöteten Palästinensern Organe gefehlt hatten, dies erzählten den lokalen Medien zahlreiche palästinensische Familien schon seit den 1980er Jahren. Einer der Fälle wurde 2002 sogar von der israelischen Regierung eingestanden. Vor allem für die Palästinenser sind solche Berichte keine Neuigkeiten.

 

 

Die direkten Anschuldigungen des Artikels im Zusammenhang mit dem Organhandel  sind schwer zu beweisen und die Story ähnelt einem typtischen Sensationsbericht, der Tatsachen zu verknüpfen versucht. Sie bieten dadurch eine Fläche für einen pro-zionistischen Gegenangriff an.

 

 

Andererseits sind Meldungen über Organdiebstahl von getöteten Palästinensern Ernst zu nehmen, auch wenn es sich um Einzelfälle handeln sollte. Durch die jetzige Gesetzeslage sind die Bewohner von Westjordanland und Gazastreifen in vielerlei Hinsicht rechtlos. Für die Palästinenser dort gilt nicht das israelische Gesetz, sondern militärische Gesetze, die sich aus einer Selektion aus den Legislaturen der britischen Mandats-Zeit, Jordaniens und Israels zusammensetzt. Dazu kommen weitere israelische Maßnahmen, die stets mit dem Zauberwort „Sicherheit“ gerechtfertigt werden. Beispielsweise gibt es im israelischen Staatsgebiet kein Todesurteil, aber extralegale Hinrichtungen palästinensischer Aktivisten in den besetzten Gebieten bilden einen wesentlichen Bestandteil der israelischen Sicherheitsdoktrin. Wenn unter diesen Bedingungen das Leben von Palästinensern leicht zu beenden ist, so ist es kaum zu erwarten, dass ihr Tod respektiert wird.

 

 

Da er auf Aussagen palästinensischer Familien basiert, hat Boströms Artikel für die europäische Presse und Politik genau so wenig Gewicht wie die Aussagen palästinensischer Zeugen gegen Israelis vor einem israelischen Gericht. Wenn es sich hingegen um Berichte über Vergewaltigungen in den iranischen Gefängnissen handelt, so reichen für Presse und Politik die Aussagen politischer Aktivisten in Teheran, um die gesamte iranische Regierung zu verurteilen. Ginge es nicht um den israelischen Staat, so wäre der Artikel nicht anders behandelt worden als die dänischen Karikaturen und man hätte die Meinungsfreiheit der schwedischen Journalisten-Kollegen verteidigt. Geht es jedoch um Verbrechen des israelischen Militär, so reichten nicht einmal die Angriffe und Massenmorde in Gaza und Libanon, um dieses zu verurteilen. Hier relatviert sich die Pressefreiheit und mit ihr die Glaubwürdigkeit der europäischen Elite.

 

Mohammad Aburous 1. Donald Boström, Aftonbladet, 17.08.2009, http://www.aftonbladet.se/kultur/article5652583.ab2. Haarez, 31.08.20093. englishe Übersetzung und Kommentar von Gilad Atzmon in ÄPAlestinain Think Tank“, http://palestinethinktank.com/2009/08/19/gilad-atzmon-the-idf-israels-or...4: Dass die Begräbnisse Nachts und unter wenigen Angehörigen Beobachtung der israelischen Armee stattgefunden hatten, dies rechtfertigte die israelische Armee damit, verhindern zu wollen, dass die Begräbnisse zu politischen Demonstrationen werden.5. New Jersey Real-Time News, 23. und 24. Juli, 2009 , http://www.nj.com/news/ledger/jersey/index.ssf?/base/news-14/12484515072... , http://www.nj.com/news/index.ssf/2009/07/blackmarket_kidneys_traffickin....