"Herr Kurz, durch Ihre Israelpolitik verletzen Sie Österreichs Neutralität"

Franz Sieder

Ich spreche hier als katholische Priester auch im Namen unserer Kirche und ich spreche als Friedensaktivist auch im Namen der weltweiten katholischen Friedensbewegung Pax Christi.
Ich möchte zuerst ansprechen unsere Verantwortung, die wir als neutraler Staat im Israel-Palästina Konflikt haben, und ich möchte dann noch etwas sagen wie unsere Verantwortung als Christen aussieht im Israel-Palästina Konflikt.

Die Neutralität hat auch eine spirituelle Dimension. Der Theologe Gollwitzer sagte „Die Neutralität führt uns auf ein Feld, das dazwischen liegt – sie führt uns in ein Niemandsland. Aus diesem Niemandsland aus dieser spirituellen Distanz versuchen wir Friedensarbeit und aktive Friedenspolitik zu machen. Um ein Friedensmediator sein zu können, müssen wir für beide Konfliktpartner glaubwürdig sein. Wir sind aber als neutrales Land – als Friedensstifter nicht mehr glaubwürdig, weil der Herr Kurz eindeutig auf Seite Israels steht. Seine Arschkriecherei  dem Herrn Netanyahu gegenüber ist widerlich. Er hat weder den abscheulichen und zynischen Friedensplan von Präsident Trump verurteilt – noch hat er etwas gesagt zu den Annexionsplänen Israels vom West-Jordanland – obwohl er weiß, dass das völkerrechtswidrig ist. Die Rüstungsgeschäftsmacherei  zwischen Österreich und Israel ist auch eines neutralen Staates nicht würdig.  Herr Kurz, durch Ihre Israelpolitik verletzen sie Österreichs Neutralität und Sie sind unfähig ein ehrlicher Mediator im Friedensprozess zwischen Israel und Palästina zu sein.

Das zweite, das ich anspreche ist unsere christliche Verantwortung im Israel – Palästina Konflikt. Die Verantwortung des Christen verlangt, dass wir immer eine Option für die Schwächeren haben sollen – für jene die unterdrückt und benachteiligt sind. Die Schwächeren und Unterdrückten sind zweifellos die Palästinenser. Die frühere österreichische Außenministerin Ursula Plasnig  hat einmal in einer Diskussionssendung im Fernsehen folgendes gesagt „Wenn es irgendwo auf der Welt eine Hölle gibt, dann heißt diese Hölle Gaza. Ich bin selbst dort gewesen und habe es erlebt, wie es den Menschen dort geht. Sie werden wie in einem offenen Gefängnis als Untermenschen gehalten und können mehr oder weniger nur vegetieren. Israel ist wie eine Kolonialmacht, die über die Palästinenser herrscht und die freie Welt schaut zu. Weil Israel ein riesiges Militär hat und weil sie die USA als Schutzmacht haben, haben sie kein Recht Palästina zu versklaven. Jeder Mensch unserer Erde hat das Recht in Freiheit und in Würde zu leben. Friede ist die Realisierung der sozialen und demokratischen Grundrechte aller Menschen. Der Friede soll aber nicht mit Waffen herbeigeführt werden. Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber sagt: der primitive Krieg beginnt immer dort wo die Sprache aufhört. Wir brauchen den Dialog und wir brauchen Mediatoren aus einem neutralen Land wie Österreich, die bei diesem Friedensprozess mithelfen.

Auf ein spezifisch christliches Merkmal möchte ich noch hinweisen. Es ist die Feindesliebe. Feindesliebe für die Völker heißt, dass die Menschen nicht nur eine Sensibilität haben für die Leiden des  eigenen Volkes, sondern auch die Leiden des Feindes.  Sowohl die Israelis als auch die Palästinenser sind Menschen, die leiden. Aktuell leiden aber die Palästinenser noch mehr.
Zum Schluss möchte ich noch sagen: Wenn ich in meiner Rede die israelische Politik den Palästinenser gegenüber kritisiert habe, dann lasse ich mir nicht umhängen, dass ich ein Antisemit bin. Ich habe auch schön öfter bei Gedenkveranstaltungen für die Opfer der Nazidiktatur gesprochen und ich sage immer, dass der Holocaust das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte war. Das sage ich auch hier. Diese Verbrechen an den Juden zwingen uns aber nicht, zu den Verbrechen, die heute die israelische Regierung an den Palästinensern begeht, zu schweigen.
Shalom Salam – Friede sei mit euch!

Kaplan Franz Sieder