Bischof fordert Kanzler Kurz auf, israelische Fahne zu entfernen und Versammlungsfreiheit zu respektieren

 

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler!

Auf Ihrem Amtssitz weht zur Zeit die hoheitliche Flagge des Staates Israel.

Darin sehe ich mit vielen Mitbürger*innen eine einseitige Parteiergreifung zugunsten der Politik des Premiers Israels und seiner Okkupationspolitik gegenüber den arabischstämmigen Menschen in Palästina, näherhin seiner aggressiven Siedlungs- und neuerdings Wohnungsenteignungspolitik in Ostjerusalem, welche ein letzter Funke für die gegenwärtigen bürgerkriegsähnlichen Zustände im Heiligen Land waren und als solche zu sehen sind.

Sie verletzen mit der unnötigen bzw. provokativen Fahnenhissung zugleich das gebotene Neutralitätsgebot unserer österreichischen Verfassung und die Gefühle der hier bei uns lebenden Palästinenser*innen.

Ich bin seit 52 Jahren katholischer Priester und war von 1994 bis 2007 Bischof der Altkatholischen Kirche Österreichs und habe wiederholt das Heilige Land besucht.

Auch meine Frau hat mit eigenen Augen gesehen, wie es den palästinensischen Bauernfamilien in ihren Olivenhainen und Feldern ergeht.

Wir wissen somit um die Leiden der Menschen in den besetzten Gebieten und in Gaza und unter welchen Repressionen und Bedrohungen sie leben müssen.

Stets bin ich für Frieden und Versöhnung eingetreten, habe mich im christlich-jüdischen Dialog engagiert und habe immer Kolonialismus, Antijudaismus, Antisemitismus und jede Form von Apartheid als das verurteilt, was es ist: Verletzung der Menschenrechte und der Menschenwürde.

Wie in meinem Herkunftsland Deutschland gilt in Österreich eine besondere Verpflichtung dem Staat Israel gegenüber, sie ist nach dem Völkermord an den Schwestern und Brüdern Jesu im letzten Jahrhundert Staatsräson.

Dennoch ist und bleibt Unrecht schlicht Unrecht, sei es von der Seite der Hamas-(Terror-)Oganisation oder sei es von der Seite der offiziellen Unterdrückungspolitik des Staates Israel. Wo soll das denn bloß einmal enden?

Und noch etwas, geehrter Herr Bundeskanzler: In Deutschland wie in Österreich gilt das verbriefte Recht auf Demonstration, auf Meinungs-, Gewissens- und Religionsfreiheit.

Mehrmals habe ich in diesem Sinne bei Versammlungen zum Thema "Freiheit für Palästina" öffentlich gesprochen. Immer wusste ich mich der "Charta oecumenica" des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich verpflichtet.

Gewaltfrei zu demonstrieren ist ein hohes kritisches Bürger*innen-Recht. Israel-Politik kritisch zu begleiten, sie zu kontrollieren und zu bewerten ist öffentliches Recht, dies ist nicht antisemitisch! Allerdings, so z.B. die deutsche Reaktion: "Judenhass hinauszuschreien" - dies allein ist weder in Deutschland noch in Österreich akzeptierbar. Dies allein ist diskriminierend, ja "antisemitisch"!

Deshalb meine dringende Bitte an Sie, geehrter Herr Bundeskanzler: Nehmen Sie die Fahne des Staates Israel umgehend von Ihrem Amtssitz herunter! (Die Flaggen Österreichs und der Europäischen Union sprechen genug).

Mit freundlichen Grüßen !

+Bernhard Heitz emer. Bischof