Offener Brief an Amnesty-Österreich

F. Sieder bei einer Protestaktion in Amstetten

Offener Brief von Franz Sieder, katholischer Priester und Betriebsseelsorger an den Generalsekretär von Amnesty-Österreich Heinz Patzelt

 

Lieber Heinz!

 

Du weißt, dass ich schon Jahrzehnte bei der Gruppe von Amnesty International in Amstetten mitarbeite und dass ich als katholischer Priester in verschiedenen Pfarren schon Gottesdienste zu verschiedenen aktuellen Themen von Amnesty gehalten habe. Ich schätze sehr die Arbeit von Amnesty und werde auch weiter mitarbeiten. Heinz, ich schätze auch sehr Dein Engagement und Deine offene und mutige Sprache in den Medien.

Ich schreibe Dir heute, weil es mich stört, dass die Administration von Amnesty-Österreich sich weigert eine Protestaktion gegen die aktuelle israelische Politik gegen Palästinenser ins Netz zu stellen, bei der die Amnesty-Gruppe von Amstetten am Hauptplatz in Amstetten mitgewirkt hat.

Ich habe den Amnesty-International Report 2020/21 über die Menschenrechtslage in Israel und den besetzen palästinensischen Gebieten gelesen. Dieser Bericht zeigt in einer ungeheuren Klarheit die Verbrechen auf, die die israelische Regierung an den Palästinensern begeht. Ich denke, dass sich auch die Sektion der österreichischen Amnesty zu diesem Bericht bekennen sollte. Amnesty Österreich sollte sich also freuen, wenn wir in einer Protestaktion auf der Not des palästinensischen Volkes hinweisen und die Ungerechtigkeit öffentlich anprangern, die an diesen Menschen geschieht. Dass diese unsere Aktion nicht öffentlich gemacht werden soll, das kann ich nur so deuten, dass Amnesty-Österreich nicht in den Geruch des Antisemitismus kommen möchte. Heinz, Du weißt selbst, dass manche Kreise mit dieser Keule des Antisemitismus Menschen zum Schweigen bringen möchten, die die Not dieses unterdrückten Volkes in Palästina aufzeigen. Für mich ist der Holocaust das größte Verbrechen in der Menschengeschichte und wenn ich als Priester mit Gruppen ins „Heilige Land“ gefahren bin, dann war es mir ein großes Anliegen, dass wir in Jerusalem auch die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem besuchten. Ich bin wahrlich kein Antisemit. Es gibt auch zahlreiche jüdische Menschen wie der weltbekannte Dirigent Daniel Barenboim oder die Sängerin Isabel Frei, die das verbrecherische Treiben des israelischen Staates an den Palästinensern klar verurteilen und ablehnen. Ich bin nicht dafür, dass die Hamas Raketen auf Israel schießt. Diese Raketen sind aber völlig unverhältnismäßig zur militärischen Macht von Israel. Ich deute diese Raketen so, dass sie ein Hilfeschrei sind, um die Welt auf die Not und das Elend des palästinensischen Volkes aufmerksam zu machen. Ich erinnere mich an einen Ausspruch der ehemaligen österreichischen Außenministerin Ursula Plassnik, den sie in österreichisches Fernsehen bei einer Diskussion gesagt hat, wo es um den Israel-Palästina-Konflikt gegangen ist. Sie sagte: “Wenn es irgendwo auf der Welt eine Hölle gibt, dann heißt diese Hölle Gaza. Ich bin dort gewesen und habe gesehen, wie es den Menschen dort geht. Das ist eine Hölle.“  

Heinz ich bitte Dich, dass auch Amnesty Österreich mit den Palästinensern solidarisch ist und die Menschenrechtverletzungen dort klar und mutig aufzeigt so wie es auch die internationale Sektion von Amnesty tut.

In der Bibel steht der Satz, dass wir die Botschaft das Evangelium verkünden sollen, gelegen oder ungelegen. Das gilt für mich als Priester – das soll auch für Dich Heinz als Amnesty-Generalsekretär gelten.

 

Heinz sei herzlichen gegrüßt

Franz

 

29. September 2021

 

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