Offener Brief an den ÖFB

Fußballer in Palästina

An den Österreichischen Fußballbund
z.H. Herrn Präsident KR Gerhard Milletich
per Email office@oefb.at

 

Sehr geehrter Herr Präsident Milletich,

anlässlich des WM-Qualifikationsspiels Österreich gegen Israel am 12. November 2021 wenden wir uns im Namen der Plattform Palästina Solidarität Österreich in diesem Offenen Brief an Sie in Ihrer Funktion als Präsident des Österreichischen Fußballbundes.

Fußball ist nicht unpolitisch. Sport und Sportler_innen sind Teil der Gesellschaft, ebenso sind diver­se Regelwerke aus gesellschaftspolitischen Zusammenhängen erwachsen und werden immer wieder in diesen diskutiert und verhandelt. Als ein jüngeres Beispiel kann die Debatte rund um die Regen­bogen-Armbinde von Manuel Neuer, Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, und die Regenbo­gen-Beleuchtung der Münchner Allianz-Arena bei der EM 2021 genannt werden. (https://www.­deutschlandfunkkultur.de/fussball-politik-die-trennung-laesst-sich-nicht-mehr.1008.de.html?dram:article_id=499121)

Der derzeit international bedeutsamste sportpolitische Konflikt ist jener um die kommende Fußball­weltmeisterschaft in Qatar. Wegen der dort von der Regierung zu verantwortenden massiven Men­schenrechtsverletzungen besteht eine weltweite Kampagne. (https://www.boycott-qatar.de/)

Israel hält ein völkerrechtswidriges Apartheit (1) - und siedlerkolonialistisches Regime aufrecht, das die palästinensische Bevölkerung systematisch unterdrückt, entrechtet, verfolgt, einschüchtert und tötet. Aus den genannten Gründen sprechen wir als Palästina Solidarität Österreich uns entschieden gegen eine Teilnahme Israels an der WM und damit auch an der WM-Qualifikationsgruppe aus, in deren Rahmen das Spiel Österreich-Israel am 12. November stattfindet.

Wir fordern, Israel auch auf sportlicher Ebene zu boykottieren und zu sanktionieren, bis es seine völkerrechtswidrige Politik beendet und die folgenden drei Forderungen erfüllt sind:

 

1. Ende der Besetzung und Kolonisierung allen arabischen Landes und Abriss der Sperrmauer (2) (Das Völkerrecht betrachtet Ost-Jerusalem, das Westjordanland, Gaza und die Golan-Höhen als von Israel besetzte Gebiete.)

2. Anerkennung des Grundrechts der palästinensischen Bürger_innen Israels auf völlige Gleichheit

3. Umsetzung der Rechte der palästinensischen Flüchtlinge, in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum zurückzukehren, wie es in der UN-Resolution 194 vereinbart wurde.

 

Weiters protestieren wir dagegen, dass der Österreichische Fußballbund und die Österreichische Bundesliga die IHRA-Antisemitismus-Definition annehmen will, die in ihrer überaus weiten Fassung des Antisemitismus-Begriffs berechtigte Kritik an der Politik des Staates Israel praktisch verunmöglicht. Sehen Sie bitte dazu u.a. die kritische Analyse dieser Definition durch den Berliner Antisemitismusforscher Peter Ullrich. (https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/rls_papers/Papers_2-2019_Antisemitismus.pdf)

Anstatt Israel sportpolitisch zu hofieren, fordern wir die Verantwortlichen des ÖFB auf, Beziehun­gen zum Palästinensischen Fußballverband zu knüpfen bzw. zu vertiefen, und dessen Vertreter_innen ge­nau zuzuhören, wenn sie über die tragische sportliche Realität, verursacht durch die Besatzungs­macht Israel, erzählen.

Solange palästinensische Kinder nicht in Sicherheit vor den israelischen Soldat_innen Fußball spielen können, darf man nicht seelenruhig und genussvoll einem Ländermatch Österreich - Israel zuschauen, sondern ist es humanitäre Pflicht gegen diese Verbrechen zu protestieren.

Aus unserer Kenntnis der Situation in Palästina und aus der Kenntnis der Arroganz, Ignoranz und auch des Zynismus der israelischen Politik gegenüber den Palästinenser_innen leiten wir schließlich die Forderung ab, die Vertreter_innen des ÖFB mögen in den Gremien der FIFA und der UEFA beantragen, die Mitgliedschaft des Israelischen Fußballverbands zu suspendieren, bis die drei oben genannten Forderungen erfüllt sind.

Wir ersuchen um eine Stellungnahme Ihrerseits an info@palaestinasolidaritaet.at

 

Für die Palästina Solidarität Österreich mit sportlichen Grüßen,

Gerhard Summer                                                                              Franz Sölkner

Wien, am 10. November 2021

 

  1. Die Aussage, Israel halte zwischen Mittelmeer und Jordan ein Apartheidsystem aufrecht wurde Anfang 2021 von der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in einem 213-seitigen Bericht umfassend dokumentiert:  https://www.hrw.org/de/news/2021/07/26/die-realitaet-der-apartheid  
  2. 2004 erklärte der Internationale Gerichtshof (IGH) in einem von der UN-Vollversammlung in Auftrag gegebenen Gutachten, dass Israel mit dem Bau der Anlagen gegen Völkerrecht verstoße und es wird ihr Rückbau gefordert.