„Zeugeneinvernahme“ durch Verfassungsschutz

Der Bericht in Profil v. 2. April 2023 (Seite 1 und 10 - 15) "Operation Luxor. Das Drehbuch eines Skandals. Willfährige Behörden. Arabische Geheimdienste. Juristisches Versagen. Parteipolitische Motive!" zeigte etliche Aspekte eines großen Flops der jüngeren österreichischen Justizgeschichte auf. Interessant dabei ist auch die Legung einer zumindest teilweise falschen Fährte in Richtung auf "arabische Geheimdienste". Unerwähnt blieb hingegen das manifeste Interesse der Geheimdienste Israels, antizionistisch gesinnte und politisch aktive Muslim:innen wie überall auf der Welt, so auch in Österreich zu bekämpfen und dafür auch unseren Sicherheitsapparat als Komplize mit im Boot zu haben. Um einen "begründeten Anfangsverdacht" konstruieren zu können hatte die StA Graz monatelange Erhebungen im Ausmaß von 21.000 Arbeitsstunden in Auftrag gegeben. Aufgrund von Beschwerden der in ihrem Ruf geschädigten hatte das Gericht nachträglich das Vorgehen der StA als rechtswidrig erkannt.

 

Wahrscheinlich mit diesen von Profil als "politischen Skandal" bezeichneten Flop der Staatsanwaltschaft Graz im Zusammenhang steht die beiliegende Niederschrift meiner Zeugeneinvernahme vom 5. April 2023 durch das Steirische Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung/LAVT.

 

Der Hintergrund: Im Alter von 14 Jahren beteiligte sich der palästinensische Jugendliche Abdelkarim Abu Habel aus Gaza im Jahr 2004 durch Steinwürfe gegen militärische Besatzungseinheiten am aktiven Widerstand seines Volkes gegen die israelische Besatzung. Ein Geständnis über weitreichendere Widerstandshandlungen wurde in einer langen Administrativhaft unter Folter erpresst. Nach einem Urteil durch ein israelisches Militärgericht verbrachte dafür 9 Jahre in verschiedenen israelischen Gefängnissen. Nach seiner Freilassung gründete er eine Familie mit zwei Kindern, sah sich aber bald gezwungen nach Europa zu flüchten. Aufgrund von Informationen und Betreiben israelischer Behörden wurde er 2016 in Österreich verhaftet und vom Landesgericht Krems zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Begründet wurde das mit dem Vorwurf, er habe von Österreich aus per Handy zwei palästinensische Jugendliche angestiftet, bei den beiden großen Moscheen in der Altstadt von Jerusalem einen Handgranatenanschlag durchzuführen. Zu diesem Anschlag ist es zwar nie gekommen, aber die israelische Militärjustiz präsentierte entsprechende Zeugenaussagen, die von zwei palästinensischen Jugendlichen in israelischer Militärhaft gemacht wurden. Nachdem die beiden Jugendlichen nach ihrer Haftentlassung in Israel ihre belastenden Aussagen als unter Folter erpresst zurückgezogen hatten, beantragte A.  eine Wiederaufnahme seines Verfahrens. Das wurde abgelehnt. Ebenso scheiterte sein Antrag auf Haftminderung. Diese hatte er beantragt, weil das Erstgericht in Krems bei der lebenslänglichen Strafbemessung seine Verurteilung durch eine israelisches, den europäischen Rechtsstandards keineswegs entsprechendes Militärgericht als erschwerend einbezogen hatte.

 

Auf Bitte von A. überwies ich ihm am 12. Sept 2022 € 50 in die Strafanstalt Graz-Karlau. Dieses Überweisung wurde als Gegenstand meiner Vorladung genannt. Wohl weil diese Geldüberweisung als Finanzierung von Terrorismus und einer kriminellen Vereinigung allzu lächerlich gewirkt hätte, zeigte ich in der Vernehmung, dass es wesentlich darum ging durch entsprechende Fragen amtlich zu erheben:

 

1. Welche Motivation habe ich und die Steirische Friedensplattform für die Unterstützung der gewaltfreien, von Israel als "antisemitisch" diffamierten israelkritischen international agierenden BDS-Bewegung (BDS steht für Boykott, Desinvestment/Kapitalabzug und Sanktionen)?

 

2. Wie bin ich/sind wir in israelkritischen Kreisen der österreichischen Palästina-Solidaritätsbewegung konkret vernetzt?

 

Übrigens wurde ein paar Tage nach mir auch der Melker Mönch Karl Helmreich, der Herrn Abu Habel ebenfalls im Gefängnis besucht und ihn mehrmals ein kleines Taschengeld zukommen ließ, zur Einvernahme vorgeladen.

Dem verfahrensleitenden Staatsanwalt Dr. Winkelhofer von der StA Graz ist zu wünschen, dass er es schafft, sich einzugestehen, dass seine Ermittlungsanordnungen überschießend waren und er nicht durch weitere höchst fragwürdige Anweisungen an die ihm untergebenen Polizeibehörden weitere Steuermittel  vergeudet.

 

Nachfolgend stelle ich Interessierten die Niederschrift meiner Einvernahme zur Verfügung.

Franz Sölkner

Anhänge: