Mahnwache für palästinensische Opfer verboten? Ungleichbehandlung in der Versammlungsfreiheit.

From the river to the sea Palestine will be free

“From the river to the sea, Palestine will be free” 

Kurz vor Beginn unserer angemeldeten Kundgebung hat die Polizei diese überraschend abgesagt. Als Begründung dient der weltweit bekannte Slogan "From the river to the sea, Palestine will be free". Die Polizei behauptet, dieser Aufruf stehe für Gewalt und Genozid.

Diese Anschuldigungen stehen in klarem Missverhältnis zur Realität. Der Slogan ist eine Antwort auf die jahrzehntelange Zersplitterung des palästinensischen Volkes durch israelische Besatzung und Diskriminierung. "Vom Fluss bis zum Meer" symbolisiert die Einheit der palästinensischen Bevölkerung, die unter verschiedenen Formen der Unterdrückung leidet.

Es lohnt sich, einen Blick auf die Hintergründe dieses Slogans zu werfen. Der Wissenschaftler Youssef Munayyer erklärt in einem Artikel für 'jewishcurrents.org', dass der Slogan als Reaktion auf die Zersplitterung der Palästinenser:innen durch israelische Politik entstand.

Es gibt palästinensische Flüchtlinge, denen die Rückkehr aufgrund diskriminierender israelischer Gesetze verweigert wird. Es gibt Palästinenser:innen, denen die Gleichberechtigung verweigert wird und die innerhalb des international anerkannten israelischen Staatsgebiets als Bürger zweiter Klasse leben. Es gibt Palästinenser:innen im Westjordanland die unter faktischer israelischer Militärbesatzung leben. Es gibt Palästinenser:innen, die sich im besetzten Jerusalem in einem rechtlichen Schwebezustand befinden und denen die Ausweisung droht. Es gibt Palästinenser:innen in Gaza, die unter israelischer Belagerung leben. Sie alle leiden unter einer Reihe von Maßnahmen in einem einzigartigen System der Diskriminierung und Apartheid - dem System eines Kolonialstaates Israel, das nur durch ihren vereinten Widerstand in Frage gestellt werden kann. 

Sie alle haben ein Recht darauf, in dem Land vom Fluss bis zum Meer frei zu leben.

Bemerkenswert ist auch, dass ähnliche Vorwürfe in der Geschichte des Anti-Apartheid-Widerstands in Südafrika zu finden sind. Argumente gegen die Gleichberechtigung wurden dort ebenso verwendet, um den Fortbestand des Apartheid-Systems zu rechtfertigen.

Die Behauptung, der Slogan "vom Fluss bis zum Meer" habe eine völkermörderische Absicht, stützt sich nicht auf Fakten, sondern auf rassistische und islamophobe Vorstellungen. 

Dies erinnert an das bekannte Muster, das auch dem europäischen Antisemitismus zugrunde liegt. Ähnliche Argumente wurden auch gegen die Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten vorgebracht. So verglich Thomas Jefferson die Sklaverei mit einem Wolf: "Wir haben den Wolf bei den Ohren, und wir können ihn weder festhalten noch sicher loslassen. Auf der einen Seite steht die Gerechtigkeit, auf der anderen die Selbsterhaltung".

Wie Fred Moten, der renommierte US-amerikanische Kulturtheoretiker, Dichter und Literaturwissenschaftler einmal sagte: "Siedler denken immer, dass sie sich selbst verteidigen. Deshalb bauen sie Festungen auf dem Land anderer Leute. Und dann flippen sie aus, wenn sie merken, dass sie umzingelt sind. Und sie sind immer noch umzingelt."

Es ist wichtig zu betonen, dass die Forderung nach einem freien Palästina vom Fluss bis zum Meer das Ende des bestehenden Herrschaftssystems bedeutet. Kritiker versuchen jedoch, von dieser legitimen Forderung abzulenken, indem sie den Slogan als gefährlich und gewalttätig darstellen.

Die Kritik an diesem Slogan ignoriert die tatsächlichen Forderungen der Palästinenser:innen: einen Staat, in dem sie als freie und gleichberechtigte Bürger leben können.

Ein freies Palästina vom Fluss bis zum Meer steht für die Beendigung eines unterdrückerischen Systems und das Streben nach Gerechtigkeit und Gleichheit für alle.

 

Quellen und weitere Texte dazu: 

https://jewishcurrents.org/what-does-from-the-river-to-the-sea-really-mean

https://decolonizepalestine.com/myth/from-the-river-to-the-sea-is-a-call-to-genocide/

https://www.palestinechronicle.com/from-the-river-to-the-sea-really/#apartheid

https://www.palestinechronicle.com/anticipating-israels-counter-attack-make-the-one-democratic-state-solution-mainstream-again/#apartheid

Bashir, Bashir, and Azar Dakwar. Rethinking the Politics of Israel/Palestine: Partition and Its Alternatives. S&D Group in the European Parliamet/Bruno Kreisky Forum for international Dialogue, Vienna. 2014.

Marc Lamont Hill and Mitchell Plitnick (P)2021 HighBridge, Except for Palestine: The Limits of Progressive Politics .

Abunimah, Ali. One country: A bold proposal to end the Israeli-Palestinian impasse. Macmillan, 2006.

Tilley, Virginia. The one-state solution: A breakthrough for peace in the Israeli-Palestinian deadlock. University of Michigan Press, 2010.

Farsakh, Leila. “The one-state solution and the Israeli-Palestinian conflict: Palestinian challenges and prospects.” The Middle East Journal 65.1 (2011): 55-71. 

Hussein, Cherine. The re-emergence of the single state solution in Palestine/Israel: Countering an illusion. Routledge, 2015. 

Lustick, Ian S. Paradigm Lost: From Two-State Solution to One-State Reality. University of Pennsylvania Press, 2019.

 

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