Bericht zu den Ereignissen in Graz vom 14. Oktober

Die geplante Kundgebung wurde von der Polizei aus Sicherheitsgründen untersagt, wobei die vorgebrachten Gründe in der Einschätzung der weltweiten Lage und nicht in der konkreten Situation vor Ort gefunden wurden. Dazu muss auch noch gesagt, dass die Versammlungsverantwortlichen seit 2003 schon dutzende Kundgebungen zu verschiedenen Kriegsszenarien angemeldet hatten, dies aber die erste war, die untersagt wurde.
Um 16 Uhr waren dennoch rund 20 Palästina-solidarische Menschen anwesend. Die Polizei gewährte fünf Minuten, damit der Versammlungsleiter allen die Untersagung mitteilen und von seiner Funktion zurücktreten konnte. Diese kurze Zeit wurde auch für das Schwingen von Fahnen und Rufen von Parolen wie „Free Palestine! Free Gaza! From the river to the sea, Palestine will be free!“ genutzt. Mehrere Medienvertreter (u.a. ORF, Servus TV, ATV) waren mit Kameras vor Ort und suchten Interviewpartner:innen. Ein Übermaß an Polizist:innen postierte sich am Rand des Platzes, wohl um der Bevölkerung die vermeintliche Gefährlichkeit der Protestierenden zu vermitteln. Diese Konstruktion entsprach keineswegs der Realität.

Wie von der Polizei verlangt, löste sich die Kundgebung nach fünf Minuten friedlich auf. In kleinen Grüppchen brachen Palästina-solidarische Menschen auf, um mit Kuffiyas, Fahnen und Schildern durch die Grazer Innenstadt zu spazieren. Sie wollten vom Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch machen und im öffentlichen Raum ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk und den Protest gegen den israelischen Krieg gegenüber Gaza kundtun. Diesen kleinen Grüppchen schlossen sich nach und nach noch weitere Personen an, sodass sich ein kleiner Demozug von rund 70 Personen durch die Innenstadt vom Südtirolerplatz über den Hauptplatz, Herrengasse bis zum Jakominiplatz bewegte.

Die Polizei schritt angesichts dieser friedlichen Art des Protestes nicht ein und hielt sich im Hintergrund. Am Weg zurück riefen Protestierende selbst dazu auf, die Gruppe aufzulösen und keine Parolen mehr zu rufen. Alle folgten diesem Aufruf. Plötzlich war eine Hundertschaft von Polizist:innen vor Ort und kesselte rund 20, zumeist jugendliche Protestierende ein, die eigentlich bereits am Heimweg war, um ihre Personalien aufzunehmen. Durch Verhandlungen mit der Polizei ist es gelungen, dass der Kessel wieder geöffnet wurde und alle gehen konnten. Davor wurden aber alle intensiv fotografiert.

Nach der Einkesselung wurde ein 16jähriger offenbar von der Polizei aufgefordert, die Fahne runterzunehmen und ließ sich dabei vermutlich zu einer provokativen Geste gegenüber dem Polizisten hinreißen. Er wurde sofort überwältigt, auf den Boden geworfen, mit Schlagstöcken geschlagen und wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt verhaftet. Aus unserer Sicht eine unnötige Eskalation, vermutlich um Bilder einer gewalttätigen Demo zu produzieren oder einen Vorwand zu finden, um zukünftige Demos wieder zu untersagen. Medial kündigte die Polizei nun an, dass nun geprüft wird, ob noch weitere Anzeigen erfolgen, da der Protest als eine unangemeldete Versammlung gewertet wird.

Wir halten fest, dass die gesamte Aktion seitens der Protestierenden friedlich verlaufen ist. Die Jugendlichen im Kessel waren durch das martialische Agieren der Polizei geschockt, einige mussten die Brachialgewalt gegenüber dem Jungen mitansehen und brachen in Tränen aus. Andere riefen in Richtung Polizei: Keine Gewalt! Die Teilnehmer:innen waren vom späten Auftauchen der vollen Mannschaftsstärke der Polizei und der Einkesselung von etwa 20 friedlichen Demonstrierenden, als sich die Demo bereits in Auflösung befand, überrascht. Es erinnert an die Vorgangsweise in Wien am 11. Oktober und ist jedenfalls hinterfragenswert, weil bis lang die Grazer Polizei eher als besonnen und deeskalierend wahrgenommen wurde.

Auch wenn wir keine Reden halten konnten, ist es durch den Protest gelungen, Aufmerksamkeit zu bekommen und die Medien berichteten durchwegs positiv. Die anwesenden solidarischen Menschen wollten sich ihr Recht auf Versammlung und Meinungsfreiheit nicht nehmen lassen. Während die israelische Fahne am Bundeskanzleramt weht und das Grazer Rathaus in den israelischen Nationalfarben beleuchtet wird, werden Pro-Palästina-Kundgebungen untersagt. Das ist ein Unrecht!

Viele wollen ihren Protest gegen den Krieg gegen das palästinensische Volk, gegen die jahrzehntelange Unterdrückung, das tagtägliche Morden an der Zivilbevölkerung durch israelische Soldaten und bewaffnete rechtsextreme Siedler ausdrücken. Die jetzigen Kriegsverbrechen in Gaza reihen sich ein in eine lange Geschichte von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Israel setzt Phosphorbomben ein, ein Drittel der Toten sind Kinder, Israel stoppte die Versorgung mit Wasser, Lebensmittel und Strom und ist dabei, eine Million Menschen zu vertreiben. Vor unseren Augen droht die nächste Nakba. Schluss mit der Besatzung, dem Siedlerkolonialismus, der Apartheid und den militärischen Aggressionen. Genug ist genug! Für nächsten Freitag ist eine nächste Versammlung geplant!