Euro-Asia Interkonnektor – wie Israel, die EU und Siemens palästinensisches Land noch weiter und effektiver kolonisieren.
In diesem Text werden wir skizzieren, wie die EU, Israel und Siemens Wasser predigen und Wein trinken. Während grüne Energie und hohe ethische Grundsätze medienwirksam propagiert werden, setzt der Siemens-Konzern seine etablierten, umweltzerstörerischen und menschenverachtenden Geschäftspraktiken fort. Laut Andreas Malm ist dieser Geist des „business as usual“, der über drohende Klimakatastrophen hinwegsieht, keine Ausnahme, sondern die Regel einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung, einem System, das sein Primat der Nutzenmaximierung unvermindert fortsetzt, egal wie viele Menschen Tiere und Pflanzen dafür geopfert werden.
Im gegenwärtigen Energie-Krieg zwischen EU/USA und Russland enthüllt die EU einmal mehr ihre Doppelmoral hinsichtlich menschenrechtlicher und völkerrechtlicher Konventionen. Um sich von russischen Energiequellen unabhängig zu machen, sucht die EU derzeit nach alternativen Energie- und Rohstofflieferanten. Vor zwei Jahren stand deshalb bereits der Bau der 2000 km langen Eastmed-Pipeline[i], die Europa über Griechenland und Zypern mit israelischem Erdgas versorgen sollte, auf der Agenda. Derzeit steht dieses Projekt aufgrund politischer Divergenzen, vor allem mit der Türkei, auf wackeligen Beinen. Ein weiteres, vermeintlich „grünes EU–Projekt“, ist jedoch bereits in der Startphase: der Euro-Asia Interkonnektor[ii]. Dabei handelt es sich um ein länderverbindendes Stromkabel, das über Kraftwerke in Israel in Zukunft Griechenland und die Türkei mit Strom versorgen soll. Das 1,57 Milliardenprojekt wird durch EU-Fördergelder mitfinanziert und hat öffentliche Förderungen von insgesamt 757 Millionen Euro zugesprochen bekommen.[iii]
Der Euro-Asia Interkonnektor ist ein 1208 km langes Unterwasserkabel, das eine „bi-direktionale“ Versorgung von Strom zwischen Israel und Europa ermöglichen soll. Diese sogenannte „Elektroautobahn“ soll jeder der beteiligten Regionen ermöglichen, Strom entweder zu importieren oder zu exportieren. Neben der EU, Israel, Zypern, Griechenland und Siemens ist vor allem der staatliche israelische Elektrokonzern IEC (Israel Electric Corporation) in dem Projekt involviert. Als staatliches Unternehmen hat die IEC ein Monopol über den israelischen Energiemarkt. Das Unternehmen produziert Strom nahezu ausschließlich durch fossile Brennstoffe, wie Gas aus dem Mittelmeer, Kohle und Diesel.[iv]
Palästinensische Menschenrechtsorganisationen wie das Palestinian Human Rights Council[v] konnten offenlegen, dass das Orot Rabin Kraftwerk, welches auf illegalen israelischen Siedlungen in der Westbank erbaut worden ist, ein Verbindungspunkt des Euro-Asia-Interkonnektor sein soll. Mit diesem Projekt wollen EU, Israel, Siemens und andere Akteure die Möglichkeit schaffen, Strom direkt aus den besetzten palästinensischen Gebieten nach Europa fließen zu lassen. Es soll auch umgekehrt Strom aus Europa über Israel in die illegalen israelischen Siedlungen fließen.
Da die israelische Siedlungspolitik nicht mit völkerrechtlichen Verträgen vereinbar ist, machen sich hierbei sowohl die EU, als auch die Firma Siemens eines Kriegsverbrechens schuldig.
Alter Kolonialismus in neuen Kabeln.
Für die Firma Siemens ist der Bruch von Völker- und Menschenrechten nichts neues, sondern eher „business as usual“. Bereits um 1870 entwickelte Werner von Siemens im Auftrag der britischen Kolonialmacht das „Indoeuropäische Telegrafensystem“. Ziel dieser kolonialen Technik war es, die Kommunikationszeit zwischen London und der Kolonialverwaltung in Indien zu verkürzen. Damit das Telegrafenkabel auch erstmals unter See verlegt werden konnte, „erfand“ Siemens auch noch ein wasserdichte Kabelisolierung. Dabei mussten die Kolonien in Südostasien jene Rohstoffe liefern (Guttapercha), die ihre eigene Unterdrückung und Ausbeutung weiter vorantrieben.
Wie das Indoeuropäische Telegrafensystem, ist auch der Euro-Asia-Interkonnektor ein Beispiel für Koloniale Technik. In etablierter, kolonialer Tradition sichern sich Israel und die EU mit dem Euro-Asia-Interkonnektor gegenseitig ab und legen den Grundstein für die weitere Kolonisierung Palästinas. Die Angst vor einem möglichen Blackout wird innerhalb der EU allseits geschürt. Gleichzeitig schaut die gesamte Welt seit mindestens 15 Jahren dabei zu, wie die Menschen im Gazastreifen regelmäßig und gezielt vom Zugang zu Strom, Gas, Lebensmitteln und anderen lebenswichtigen Ressourcen abgeschnitten werden.
Siemens und andere Konzerne entwickeln jene „Innovationen“, die dazu dienen Menschen und Natur noch weiter auszubeuten. Für Siemens ist das „Business as usual“.
„business as usual“ = back to the roots,
wie Kolonialismus und Faschismus Siemens Firmenpolitik prägten und prägen
„Von der Berliner Hinterhofwerkstatt zur Weltfirma – nur wenige Technologiekonzerne können auf eine so lange und erfolgreiche Historie zurückblicken wie unser Unternehmen“ heißt es auf der firmeneigenen Geschichtsplattform.[vi] Dabei wird gerne verschwiegen, dass die Erfolgsgeschichte von Siemens auch, und vor allem eine Geschichte der Ausbeutung ist. Als das Unternehmen Siemens und Halske im Jahr 1847 gegründet wurde, war dies inmitten einer Zeit kolonialer Eroberungen. Die vielgerühmten Pionierleistungen des Werner von Siemens in der Elektroindustrie sind nicht ohne jene Rohstoffe zu denken, welche im Zuge des Kolonialismus direkt aus den von Europa unterjochten Gebieten weltweit geraubt wurden. Nathalie von Siemens im Jahr 2022 schreibt, dass die soziale Frage für das Unternehmen immer schon zentral war, und verweist dabei auf die Arbeitsbedingungen der von Siemens angestellten Mitarbeiter*innen der ersten Stunde.[vii]
Sie denkt dabei offenbar nicht an die Millionen von Sklavinnen und Sklaven, die über den ganzen Planeten verschifft und ausgebeutet wurden, um Konzerne wie Siemens mit günstigen und blutigen Rohstoffen wie Kautschuk, Palmöl und Elfenbein zu versorgten. Die sogenannten „Pioniere“ jener Zeit rühmten sich dafür, die „Natur zu übertrumpfen“. Einerseits bedienten sie sich der geraubten Rohstoffe, um ihre Technologien weiterzuentwickeln, andererseits lieferten sie jene Innovationen, die die Kolonisierung und Zerstörung des Planeten noch effizienter vorantrieben. Die Nachrichtentechnik und Elektroindustrie war für die Kabelisolierung auf Kautschuk angewiesen. Ausländische Firmen eigneten sich für die Gewinnung dieser Rohstoffe lokales, indigenes Wissen an. Terror, Folter, Ermordung und Verstümmelung standen damals an der Tagesordnung, um das eroberte Land und seine indigene Bevölkerung möglichst effektiv und gewinnbringend auszubeuten. [viii]
Sklaverei und Zwangsarbeit war auch in den 1930er und 1940er Jahren eine etablierte Beschäftigungsform in deutschen Unternehmen wie Siemens. In jener Zeit gab es kaum deutsche Unternehmen, die nicht ZwangsarbeiterInnen beschäftigten, so ist es ein trauriges und dunkles Kapitel der Unternehmergeschichte, dass sich dessen Erfolg nicht zuletzt auch auf die Ausbeutung von Arbeitskräften im deutschen Faschismus zurückführen lässt. 1939 war Siemens mit 187 000 Beschäftigten der erfolgreichste Elektrokonzern der Welt. Das „Business as usual“ Prinzip wurde bei Siemens auch angewandt, als sich das Unternehmen hauptsächlich auf das Beliefern der deutschen Kriegs- und Rüstungsindustrie konzentrierte. Alleine in Wien hat Siemens dafür ca. 4000 Zwangsarbeiter*innen und 400 KZ-Häftlinge ausgebeutet. [ix]
Es ist wohl dieser zutiefst kapitalistische, pragmatische und unethische „business as usual“ Unternehmergeist, welcher der Firma Siemens half, die politischen Wirren des 19. und 20. Jahrhunderts zu überstehen und dabei sogar noch größer und noch mächtiger zu werden.
Siemens: Business as usual? – nicht mit uns!
„Business as usual“ heißt es für Siemens auch in vielen europäischen Städten und Wohnvierteln, wo den Bewohner*innen vermittelt wird, sie könnten durch ihren individuellen Konsum oder ihre individuellen Verhaltensweisen einen Beitrag leisten, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. So zum Beispiel in der Wiener Seestadt[x]. Mit Slogans wie „tomorrow is now“, oder „der Schlüssel für die Zukunft ist die Entwicklung unserer Städte“, oder „wir denken Energie neu“, wird „Dekarbonisierung“ als innovatives Rahmenmodell gegen den Klimawandel präsentiert. Während Siemens sich mit solchen Slogans einen grünen Stempel verpasst, wird in besetzten Gebieten wie der Westsahara[xi] oder Palästina weiterhin auf fossile Brennstoffe gesetzt.
Dass sich Siemens dafür auch heute noch an Kriegsverbrechen beteiligt, mag angesichts der Unternehmensgeschichte und des kürzlich verzeichneten Rekordgewinns von 4,4 Milliarden € (Jahresumsatz 2021 = 62,3 Mrd) nicht verwundern.[xii] Zum Vergleich: das geplante Haushaltsbudget für Soziales betrug in Österreich 2022 4,2 Milliarden €.[xiii] Ein Teil dieses Rekordgewinnes stammt aus lukrativen Geschäften mit dem israelischen Apartheid Regime[xiv]: So wurde beispielsweise ein 10 Jahres Vertrag über 917 Millionen Dollar für die Bereitstellung und Wartung von Zuggarnituren und Bahninfrastruktur mit der israelischen Bahngesellschaft abgeschlossen.[xv] Dass die Züge von Siemens vor allem der israelischen Bevölkerung dienen und teilweise über völkerrechtswidrig besetztes Gebiet fahren, interessiert die Unternehmensführung und ihre Aktionäre nicht.
Die Tatsache, dass Siemens die Technik und das Know-How für die Ampel- und Verkehrsüberwachungssysteme von Autobahnen liefert, auf denen ausschließlich israelische Fahrzeuge durch besetztes Gebiet fahren dürfen, wird ebenso ignoriert, wie der Umstand, dass Siemens an der an der Inhaftierung politischer Häftlinge mitverdient.[xvi]
Der EuroAsia Interconnector trägt dazu bei, dass Israel seine illegale Siedlungspolitik und sein System der Apartheid, einem strukturellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, fortführen kann. Wie damals, steht Siemens auch heute in der vordersten Reihe, wenn es darum geht unsere Erde und seine Bewohner*innen auszubeuten. Die Geschichte darf sich nicht wiederholen! Deshalb fordern wir alle Menschen dazu auf, dem internationalen Aufruf der globalen BDS Kampagne gegen Siemens zu folgen:[xvii]
In Anbetracht der obigen Ausführungen fordern wir:
Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass Siemens für die Befeuerung von Klimawandel und israelischer Apartheid einen hohen Preis zu zahlen haben.
[ii] https://euroasia-interconnector.com/at-glance/the-big-picture/euroasia-eu-status/
[iii] https://ec.europa.eu/info/news/commission-participates-launch-euroasia-electricity-interconnector-2022-oct-14_en
[iv] https://www.alhaq.org/cached_uploads/download/2020/10/10/ij-phroc-legal-briefing-euroasia-interconnector-final-07-10-2020-1602308650.pdf
[v] https://www.alhaq.org/palestinian-human-rights-organizations-council
[vi] https://www.siemens.com/de/de/unternehmen/konzern/geschichte/unternehmen/1847-1865.html
[vii] https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:e27c0a1c-0716-44b3-89f1-9f996ea00135/106-siemens-175-jahre-deutsch-digital.pdf
[viii] https://blog.deutsches-museum.de/2020/11/05/die-dunkle-seite-der-technik-koloniale-materialien
[ix] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Siemens_AG_%C3%96sterreich
[x] https://new.siemens.com/at/de/unternehmen/themenfelder/aspern.html
[xi] https://www.kritischeaktionaere.de/siemens-energy/siemens-energy-windparks-in-besetzter-westsahara-und-miserable-klimabilanz/
[xii] https://www.n-tv.de/wirtschaft/Siemens-rauscht-kraftvoll-ins-neue-Jahr-article23723663.html
[xiii] https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2021/PK1254/
[xiv] https://news.un.org/en/story/2022/03/1114702
[xv] https://en.globes.co.il/en/article-israel-railways-publishes-3b-electrification-tender-1001011499
[xvi] https://www.whoprofits.org/company/siemens/
[xvii] http://bds-kampagne.de/aufruf-zum-boykott-von-chevron-und-siemens/