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Die „PalästinenSER Solidarität Österreich“ in den Medien – über bewusste Manipulation der Sprache


2. Mai 2024

Die mediale Berichterstattung ist seit dem Oktober 2023 voll von Artikeln und Beiträgen, die sich der palästinasolidarischen Bewegung gegen den Völkermord in Gaza widmen. Angesichts der unbedingten Treue des offiziellen Österreichs zum Kolonial- und Apartheidstaat Israel und aller seiner Politik verwundert es nicht, dass in den Medien diese Bewegung nach Möglichkeit diffamiert wird. 

Wer das Existenzrecht Israels bestreitet, ist nach offizieller Diktion ein Antisemit. Wohlgemerkt, das Existenzrecht Israels bezieht sich auf das Existenzrecht eines Staates in seiner Verfasstheit, nicht auf das Existenzrecht jüdischer Menschen oder das jüdische Existenzrecht in der Region. Wer also das Existenzrecht eines Apartheidstaates in Frage stellt, ist ein Antisemit. Das staatliche Gebilde „Israel“ als selbstdefinierter „jüdischer Staat“ wird verknüpft mit „jüdischen Menschen“ und mit „Judentum“. „Anti-israelisch“ oder „anti-zionistisch“ ist gleich „anti-jüdisch“ – das Resultat dieser haltlosen Gleichsetzung wird mit „antisemitisch“ verbrämt. Wer den Staat Israel in Frage stellt, stellt nach dieser Logik „jüdisches Leben“ in Frage. Es gibt keine Frage danach, was mit der ursprünglichen Bevölkerung auf diesem Staatsterritorium Israels geschieht, welchen Platz sie im „Staatsvolk“ einnehmen. Antisemitisch ist es per Definition, davon auszugehen, dass jeder jüdische Mensch einer kollektiven Entität zugehörig ist und sie oder ihn über die wahrgenommenen Eigenschaften dieser Entität zu definieren. Nun ist es unzweifelhaft antisemitisch, einen jüdischen Menschen oder eine jüdische Einrichtung nur aufgrund der Zugehörigkeit zum Judentum verantwortlich zu machen für die Politik eines Staates Israel, beispielsweise auf der Straße zu einem äußerlich kenntlichen jüdischen Mitbürger zu treten und zu sagen: „Was sagst du als Jude eigentlich zum israelischen Völkermord?“ Umgekehrt aber erfolgt diese Gleichsetzung unhinterfragt, besonders beispielhaft in den Medien. Die Parole „Kindermörder Israel“ wird von schreibenden Gefährdern wie einem Markus Sulzbacher in eine Verbindung zur antisemitischen „Ritualmord-Legende“ gebracht (https://www.derstandard.at/story/2000130739401/antisemitismusein-staendiger-begleiter-der(link is external)) und dann repetitiv und unterhinterfragt sowie geradezu selbstverständlich als Beleg für antisemitische Inhalte der sogenannten „Pro-Palästina“- oder fallweise „Anti-Israel-Demos“ in anderen Medien genommen, die sich nur zu gerne am Fundus bedienen. Dazu ist eine Anzahl von Geistesschritten notwendig, die schließlich ineinander zu blenden und gleichzusetzen sind. Etwa in dem Sinne: Sie sagen „Israel“, sie meinen „Juden“ und sie rufen zum „Pogrom“. Dass es ihre eigene Identifizierung von „Juden“ (als Kollektiv wohlgemerkt!) mit „Israel“ ist, die es ihnen verunmöglicht zu erkennen, dass mit Israel der Staat gemeint ist, der palästinensisches Land besetzt und mit seinen Bombardements in sechs Monaten 14.000 Kinder getötet hat, oder der Staat gemeint ist, der Kinder jahrelang wegsperrt oder im Westjordanland erschießt – das wollen und können diese Medienleute nicht sehen. Wenn es um die Demos geht, dann tun sich die Medien natürlich schwer, sie sprechen von „Pro-Palästina-Demos“ oder „Anti-Israel-Demos“ (https://www.oe24.at/oesterreich/chronik/wien/mega-autokorso-anti-israel-demo-schockt-wien/583601419(link is external);https://kurier.at/politik/inland/anti-israel-demos-nehammer-will-strafen-fuer-alle-fahnen-schaender/402649376(link is external) etc.)  bzw. „israelfeindlichen Demos“ (https://www.derstandard.at/story/3000000217970/warum-linke-israelkritiker-gegen-das-ns-verbotsgesetz-wettern(link is external)) – gleichzeitig wird aber der Palästina Solidarität dichotomisches Denken vorgeworfen. Schlimmer ist noch die Bezeichnung „Pro-Hamas-Demonstranten“ (https://www.oe24.at/oesterreich/politik/trotz-verbot-israel-hasser-versammeln-sich-in-wiener-city/571979032(link is external) usw.), das suggeriert, dass es sich um „Pro-Hamas-Demos“ handle – diese Darstellung perpetuiert die Vorstellung eines „ewigen Krieges“, anstatt der Realität von Widerstand gegen koloniale Unterdrückung und Besatzung seit Jahrzehnten und der Solidarisierung mit den Unterdrückten im Angesicht der völkermörderischen Reaktion der Besatzer darauf. Die Beteiligung wäre aber auch eine ganz andere, würde von „Anti-Völkermord-Demos“ oder „Pro-Waffenstillstand-Demos“ gesprochen. 

Ein besonders perfides Beispiel manipulativen Sprachgebrauchs findet sich in den Medien mit selbsterklärtem Qualitätsanspruch. Dort wird die „PALÄSTINA Solidarität Österreich“ konsequent als „PALÄSTINENSER Solidarität Österreich“ betitelt (https://www.derstandard.at/story/3000000217970/warum-linke-israelkritiker-gegen-das-ns-verbotsgesetz-wettern(link is external)https://www.profil.at/oesterreich/judenhass-im-herzen-wiens-wer-hinter-den-demos-steckt/402631148(link is external)https://www.puls24.at/news/politik/feindliche-parolen-bei-grossteils-friedlicher-pro-palaestina-demo/310516(link is external)). Ein ehrliches Versehen? Sicher nicht. Israel ist im zionistischen Narrativ ein jüdischer Staat und einen Staat Palästina gibt es darin nicht. Die Palästinenser sind ein Volk ohne Staat und ohne Land. Österreich hat einen Staat Palästina noch nicht einmal anerkannt. Nach dieser Logik ist alleine das Wort „Palästina“ im Widerspruch zum Existenzrecht Israels ergo „jüdisches Existenzrecht“. Die „PALÄSTINA Solidarität Österreich“ ist daher nur eine „PALÄSTINENSER Solidarität Österreich“. Zudem ist da auch die Außenwirkung der Botschaft eine ganz andere. Die „PALÄSTINENSER Solidarität Österreich“ ist nur solidarisch mit den Palästinensern, das hat eine ganz andere Legitimität („Was wollen die denn immer, die Palästinenser?“). Dass durch diesen politisch-manipulativen Kunstgriff eine ganze Volksgruppe in Beschlag genommen wird, das nehmen diese Leute bewusst in Kauf. Jeder Palästinenser, jede Palästinenserin wird deutlich als homogene Gruppe identifizierbar gemacht und für die Leser und Leserinnen klar bezeichnet. Auf einer tieferen Ebene erfolgt eine Gleichsetzung von Menschen mit einem Volk und einem politischen Kampf – eben dem Kampf für ein freies Palästina. Wir verstehen zwischen „Israelis“, „Jüdinnen und Juden“, Anhängerinnen und Anhängern einer Ideologie, „Zionistinnen und Zionisten“, sowie dem Staat „Israel“ zu unterscheiden. Wir treten auf gegen Ideologie und Staat, doch nicht gegen Menschen. Umgekehrt gilt das für einen Schreiber wie Markus Sulzbacher nicht. Statt des Wortes „Palästina“ schreibt er „Palästinenser“. 

Martin Weinberger

Bildquelle: https://pixabay.com/de/photos/fernseher-mauer-jahrgang-fernsehen-2964103/(link is external)