Im Rahmen des SMG-Abschlussevents hat WienXtra vergangenen Donnerstag (5.6.2025) im Wiener Rathaus eine Fortbildung für Lehrpersonen zum Thema „Antisemitismuskritik“ mit einer externen Referentin vom “Kompetenzzentrum Antisemitismuskritische Bildung und Forschung” angeboten. Auf den ersten Blick wirkt das wie ein wichtiger Beitrag zur politischen Bildung – beim genaueren Hinsehen zeigt sich jedoch, wie einseitig und unausgewogen diese Veranstaltung war.

Während des gesamten Workshops hat die Vortragende keine einzige Quelle genannt, auf die man sich beziehen könnte. Es wurde nie erklärt, wie Antisemitismus überhaupt historisch entstanden ist. In der konkreten Auseinandersetzung wurden nur Beispiele nach dem 7. Oktober genannt und der Staat Israel wurde dabei nach und nach immer stärker als Ziel und Opfer des Antisemitismus dargestellt.

Es wurde vermieden, Studien zu diskutieren, die auf israelischen Archiven basieren – obwohl genau diese Studien dem widersprechen, was im Workshop präsentiert wurde. Welche historischen und wissenschaftlichen Fakten wurden dadurch unterdrückt? Warum fand keine Differenzierung zwischen Antizionismus und Antisemitismus statt?

Der Workshop konzentrierte sich stark auf sogenannten “Israelbezogenen Antisemitismus” – das ist einerseits kein Wunder, da es tatsächlich nicht möglich ist einen solchen Workshop zu organisieren, ohne den aktuellen Kontext des Genozids in Palästina zu berücksichtigen. Doch andererseits wurde uns damit suggeriert, dass israelkritische Aussagen immer potentiell bzw. wahrscheinlich antisemitisch seien.

Die Frage ist auch, warum wurde ausschließlich über Antisemitismus gesprochen, ohne dabei auch nur ansatzweise antimuslimischen Rassismus zu thematisieren? Es ist unausgewogen, in der aktuellen gesellschaftlichen Situation, in der Hass und Hetze gegen muslimische Menschen dramatisch zugenommen hat, einen solchen Fokus zu legen. Und noch wichtiger: Wir sehen wie durch Politik und Medien der Antisemitismus Vorfwurf genutzt und damit Antisemitismus instrumentalisiert wird, um muslimische sowie palästinasolidarische Stimmen zu rassifizieren und zu diskriminieren. Wie können wir also in diesem Kontext isoliert über Antisemitismus sprechen, ohne Verbindungen zu ziehen? Gerade in vielfältigen Klassenzimmern ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Diskriminierungsformen unerlässlich. Wer über Antisemitismus spricht, darf andere Rassismusformen nicht einfach ausblenden – insbesondere dann nicht, wenn sie sich gegen jene richten, deren Perspektiven ohnehin systematisch marginalisiert werden.

Problematisch war in dieser Hinsicht vor allem die Erzählung direkt zu Beginn der Veranstaltung, dass „Vielfalt im Klassenzimmer“ zwar Vorteile bringe, aber insbesondere beim Thema Antisemitismus zu “Herausforderungen” führe. Damit wurde suggeriert, dass Antisemitismus vor allem ein Problem migrantischer Communities sei – ein rassistisches Narrativ, das das Bild des antisemitischen Migranten reproduziert und strukturellen wie historischen Antisemitismus in der Mehrheitsgesellschaft ignoriert. Solche Aussagen lenken vom eigentlichen Ziel ab: dem gemeinsamen, solidarischen Kampf gegen jede Form von Diskriminierung.

Besonders bedenklich war auch, wie mit kritischen Nachfragen umgegangen wurde. Auf die Frage, worauf die präsentierte Antisemitismus-Definition wissenschaftlich basiert, insbesondere der „Israelbezogene Antisemitismus“, erhielten wir keine Antwort. Dass wir darauf hingewiesen haben, dass es zahlreiche jüdische Intellektuelle und Aktivist*innen gibt, die sich antizionistisch positionieren, wurde pauschal als „problematisch“ bezeichnet. Die jüdische Identität dieser Stimmen überhaupt zu erwähnen, wurde kritisiert. Es wurde behauptet, dass Jüdinnen und Juden selbst antisemitisch sein könnten – ein Vorwurf, der historisch und politisch höchst bedenklich ist. Wenn wir über Antisemitismus sprechen ist es extrem wichtig darüber zu sprechen, wie durch die Propaganda des Staates Israel und seiner rechtsextremen Regierung Jüdinnen und Juden als homogene Masse dargestellt werden und damit antizionistische und palästinasolidarische jüdische Menschen systematisch mundtot gemacht werden. Jüdische Stimmen gegen den Genozid werden dadurch unsichtbar gemacht oder sogar kriminalisiert.

Als von einer Erfahrung erzählt wurde – dass Kindern eine Palästina-Fahne abgenommen wurde mit der Behauptung durch Lehrpersonen es sei eine „Fahne der Hamas“– wurde das nicht etwa kritisch reflektiert, sondern als nachvollziehbar und richtig dargestellt. Auch das Argument, dass Schüler*innen die Gewalt gegen Kinder in Gaza emotional benennen dürfen, wurde zurückgewiesen. Wer Israel als „böse“ bezeichne, überschreite eine Grenze – unabhängig vom Kontext, von Emotionen oder der pädagogischen Verantwortung, solche Aussagen einzuordnen statt zu unterdrücken.

Solche „Fortbildungen“ sind nicht nur einseitig, sie sind auch gefährlich. Sie vermitteln Lehrpersonen kein differenziertes Verständnis von Diskriminierung, sondern reproduzieren rassistische Narrative. Sie schaden dem Kampf gegen Antisemitismus, indem sie jede kritische Auseinandersetzung mit israelischer Politik unter Verdacht stellen und gleichzeitig palästinensische Perspektiven systematisch ausschließen.

WienXtra: Überdenkt bitte eure Referent*innen. Reflektiert kritisch, welche Positionen diese einnehmen. Politische Bildung darf nicht auf Kosten von marginalisierten Gruppen betrieben werden. Wenn wir Antisemitismus ernsthaft bekämpfen wollen, dann auf eine Weise, die wissenschaftlich fundiert, historisch eingebettet und antirassistisch ist. Es braucht Räume, in denen auch palästinensische Stimmen gehört und migrantische Jugendliche nicht pauschal stigmatisiert werden. Eine ernstgemeinte Auseinandersetzung mit Antisemitismus muss immer intersektional, kontextbezogen und menschenrechtsorientiert sein – alles andere ist pädagogisch fahrlässig.

Teachers4palestine.