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Diplomatische Akademie beschönigt den zionistischen Kolonialismus


29. November 2024

Nichts am Zionismus ist inspirierend denn die Essenz dieser Ideologie ist die Kolonialisierung eines Landes und seiner indigenen Bevölkerung

Symposium zur Würdigung Herzls und seiner „inspirierenden Vision“ 

Zitat aus dem Einladungstext: „Der Zweck dieser Veranstaltung ist es, an die inspirierende Vision Herzls zu erinnern und ihre zukünftigen Perspektiven zu betrachten.“

Es diskutierten: 

  • Prof. Dr. Arieh Saposnik, Ben Gurion Institute for the Study of
    Israel and Zionism
  • Senior Scientist Dr. Stephan Wendehorst, Rechtswissenschaften, Universität Wien 
  • em. Prof. Dr. Fania Oz-Salzberger, University of Haifa (Videobotschaft)
  • Alon Ishay, President of the Jewish-Austrian Students’ Association.

Die Moderation übernahm: em. Prof. Dr. Mitchell Ash, President of the Center for Israel Studies Vienna.

Die Vortragenden hoben in ihren Statements die humanistischen Werte des Zionismus hervor, wie sie in der Unabhängigkeitserklärung vom Mai 1948 formuliert wurden: „Der Staat Israel wird die Entwicklung des Landes zum Wohl aller seiner Einwohner fördern; er wird sich auf die Grundsätze von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden stützen…“

Anmerkung: Diese Worte standen jedoch in krassem Gegensatz zur Realität in Palästina. Im Mai 1948 ereignete sich die Nakba, und bereits im April 1948 wurde das Massaker von Deir Yassin verübt, bei dem etwa 120 PalästinenserInnen, darunter hauptsächlich Frauen und Kinder, von den zionistischen Milizen Irgun, Lehi und Palmah ermordet wurden.

Die Rednerinnen distanzierten sich von der aktuellen Politik unter Benjamin Netanjahu. Der Zionismus sei mittlerweile von Fundamentalisten vereinnahmt worden. Es sei notwendig, die wahren Werte, wie sie in der Unabhängigkeitserklärung zum Ausdruck kommen, wieder in den Vordergrund zu stellen.

Dr. Fania Oz-Salzberger sprach vom „Elefanten im Raum“ nämlich das Problem der PalästinenserInnen. Die Lösung dieses „Problems“ läge in der Gründung zweier Staaten. Einzig Dr. Wendehorst plädierte für eine Einstaatenlösung.

Interessant war die kognitive Dissonanz der Vortragenden, denn obwohl immer wieder betont wurde, dass sich Theodor Herzl als Kolonialist verstand, wurden seine Visionen mit dem „Zeitgeist“ erklärt und legitimiert. Prof. Oz-Salzenberger zitierte folgenden Tagebucheintrag von Herzl: 

“Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen, indem wir ihr in den Durchzugsländern Arbeit verschaffen, aber in unserm eigenen Lande jegliche Arbeit verweigern. Die besitzende Bevölkerung wird zu uns übergehen. Das Expropriationswerk muß ebenso wie die Fortschaffung der Armen mit Zartheit und Behutsamkeit erfolgen.” – Tagebucheintrag 12. VI. [1895] S. 98 

Laut Oz-Salzberger sei dies jedoch nur ein einzelnes Zitat. Herzl habe sich entwickelt und letztlich an humanistischen Werten orientiert.

Auf die Frage, wie die Vortragenden das Verhalten von IDF-Soldaten erklärten, die Video-Clips veröffentlichten, in denen sie PalästinenserInnen demütigten, erklärte Alon Ishay, dass man die Traumatisierungen der Soldaten verstehen müsse. Jeder Soldat habe im vergangenen Jahr Familienmitglieder oder Freunde verloren oder kenne jemanden, der solche Verluste erlitten habe. Diese tiefen Traumata könnten das Verhalten der Soldaten erklären. Auch im Irak hätten amerikanische Soldaten im Gefängnis von Abu Ghraib Zivilisten gefoltert, jedoch gebe es solche Zustände in Gaza nicht. 

Marco Wanjura wies jedoch darauf hin, dass Alon Ishay damit gerade die grausamen Taten der Soldaten rechtfertige. Er betonte, dass die Folter in israelischen Gefängnissen weit schlimmer sei und dass Vertreibung, Diskriminierung und Vernichtung seit 76 Jahren andauerten. Zudem hob er hervor, dass es einen besonderen Grund gebe, warum Israel keine Verfassung habe – weil eine Verfassung in einem Staat unmöglich sei, dessen gesamter rechtlicher Rahmen auf den exklusiven Rechten einer einzigen Gruppe von Menschen basiert, nämlich ausschließlich von Juden und Jüdinnen. PalästinenserInnen mit israelischer Staatsbürgerschaft sind höchstens Bürger Dritter Klasse, haben nicht die gleichen Rechte wie Jüdinnen und Juden und unterliegen zudem zahlreichen diskriminierenden Praktiken. Nachdem Marco Wanjura darauf bestand, Antworten auf seine Fragen zu erhalten, wurde er vom Sicherheitsdienst und von der Polizei des Saales verwiesen. Eine Anzeige wird folgen. 

Dalia Sarig wollte wissen, was genau die Panelteilnehmer an der kolonialen Ideologie inspirierend fanden. Der jüdische Staat Israel wurde auf Kosten der indigenen palästinensischen Bevölkerung gegründet, die bis heute vertrieben, ermordet und diskriminiert wird. Diese Ideologie führe zu einem Genozid, wie wir ihn derzeit in Gaza beobachten.

Auf diese Frage gab es zunächst nur ausweichende Antworten. Als Dalia Sarig weiterhin auf eine Antwort bestand, wurde auch sie vom Ordnungsdienst der Diplomatischen Akademie des Saals verwiesen. Prof. Saposnik lud sie jedoch ein zu bleiben, da er ihre Frage beantworten wollte. 

In seiner Antwort rechtfertigte er das Recht des jüdischen Volkes auf Rückkehr nach 3000 Jahren Exil. Es handele sich um einen Konflikt zwischen zwei Völkern, die beide einen rechtmäßigen Anspruch auf dasselbe Land hätten. Es stehe Dalia Sarig frei, Antizionistin zu sein, aber genauso stehe es ihm, Prof. Saposnik, frei, als Zionist in einem jüdischen Staat leben zu wollen. 

Dazu nahm Dr. Stephan Wendehort Stellung. Das Argument der 3000 Jahre alten Geschichte sei das schwächste Argument, dass die zionistischen Bewegung habe um ihre Legitimität zu begründen. Er betonte, dass gemäß internationalem Recht nicht von einem Genozid in Gaza gesprochen werden kann.  

Anmerkung: Würden alle Völker mit ihren imaginierten Lebensräumen einen Staat für sich beanspruchen, gäbe es internationale Gemetzel. Zusätzlich sind viele der damals in Palästina lebenden Juden konvertiert und schließlich zu PalästinenserInnen geworden. Genau diese werden heute abgeschlachtet.

Am Ende der Veranstaltung entbrannte ein Streitgespräch zwischen Prof. Saposnik und Dalia Sarig, in dem sie wiederholt darauf hinwies, dass PalästinenserInnen den „Preis“ für die Verwirklichung eines rein jüdischen Nationalstaats bezahlten und daher kein Recht auf diese bestehen könne. 

Nach der Veranstaltung bedankten sich einige Studierende der Diplomatischen Akademie, die ebenfalls an der Veranstaltung teilgenommen hatten, für die Wortmeldungen von Marco Wanjura und Dalia Sarig.



Dalia Sarig

Ein Brief an Theodor Herzl