Francesca Albanese, UN‑Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, hat am 30 Juni in Genf ihren neuesten Bericht vorgestellt: “From Economy of Occupation to Economy of Genocide”. In diesem umfassendem Dokument analysiert sie die ökonomischen Strukturen, die die israelische Besatzung und den aktuellen Genozid im Gazastreifen stützen und von ihnen profitieren. Das System, das wirtschaftlichen Nutzen aus der Besatzung zieht, hat sich nach ihr im Kontext des Genozids radikalisiert und funktioniert nun als Genozid-Wirtschaft. In dieser neue Phase, beschreibt Albanese, werden Systeme der Kontrolle, Ausbeutung und Enteignung zu wirtschaftlichen, technologischen und politischen Apparaten verdichtet, die gezielt eingesetzt werden, um Massengewalt zu organisieren und großflächige Zerstörung zu legitimieren. Dazu werden Ressourcen nicht nur streng kontrolliert, sie werden der Bevölkerung existenziell entzogen.

Der Profit entsteht in dieser Genozid-Wirtschaft nicht nur durch Überwachung, Beschränkung und Abhängigkeit, sondern auch durch Zerstörung und Auslöschung. Albanese betont dabei, dass dieses System auf einer Logik des racialized capitalism beruht. Der wirtschaftliche Nutzen wird erst möglich, weil eine ganze Bevölkerung rassifiziert, entrechtet und als kontrollierbare Ressource behandelt wird. Die Profiteure reichen weit über militärische Akteure hinaus: Dazu zählen israelische Rüstungskonzerne wie Elbit Systems, Rafael oder Israel Aerospace Industries, Bau- und Maschinenkonzerne wie Caterpillar oder Hyundai, Technologiefirmen wie Hewlett-Packard und Motorola Solutions, die Überwachungs- und Kontrollsysteme bereitstellen, sowie Finanzinstitute und Investoren, die in diese Firmen investieren. Diese Schlüsselbranchen agieren zwar formal getrennt, bilden aber als Kernsäulen der Siedlerkolonialwirtschaft ein verflochtenes System gegenseitiger Abhängigkeit.

Überwachungstechnologien und Inhaftierungssysteme, die ursprünglich dazu dienten, Segregation und Apartheid zu sichern, haben sich zu Instrumenten entwickelt, mit denen die palästinensische Bevölkerung heute flächendeckend und wahllos ins Visier genommen wird. Schwere Maschinen, die zuvor für Hauszerstörungen, Infrastrukturabrisse und Ressourcenenteignungen im Westjordanland genutzt wurden, kommen nun zum Einsatz, um Gazas urbane Landschaft gezielt zu vernichten — und so zu verhindern, dass vertriebene Menschen zurückkehren und sich als Gemeinschaft neu organisieren können.

Die Verantwortung für die Fortführung der Besatzungs- und Genozid-Ökonomie liegt aber nicht allein bei Israel. Auch Drittstaaten, internationale Finanzinstitutionen und Unternehmen tragen durch Waffenexporte, Investitionen und politische Unterstützung eine Mitverantwortung. Diese globalen Akteure ermöglichen und legitimieren das System der Gewalt, indem sie es finanziell und technologisch absichern. Die Komplizenschaft dieser Akteure ist ein zentraler Hebel, den es dringend zu durchbrechen gilt.

Neben Militär- und Rüstungsindustrie, Technologie- und Überwachungskonzernen, Infrastruktur- und Maschinenkonzernen, Finanzakteuren sowie Universitäten und Forschungseinrichtungen betont Albanese in ihrem Bericht besonders die strategische Rolle der Kontrolle über die grundlegende zivile Infrastruktur. Wasser, Strom, Treibstoff und Nahrung sind dabei keine neutralen Versorgungsfaktoren, sondern gezielt eingesetzte Druckmittel. Ihre Lieferung kann rationiert, blockiert oder unterbrochen werden, um Millionen Menschen abhängig, erpressbar und verwundbar zu machen. Diese Praxis ist laut Albanese keine Ausnahme im Völkermord in Gaza, sondern eine Fortsetzung einer jahrzehntelangen Politik der schrittweisen Entziehung von Lebensgrundlagen. Es ist eine Methode, um die palästinensische Bevölkerung systematisch zu vertreiben oder gefügig zu halten. In der aktuellen Eskalation wird diese Kontrolle in ihrem extremsten Ausdruck sichtbar. Diese Infrastrukturblockade ist für Albanese zentraler Bestandteil der Genozid-Wirtschaft. Sie verwandelt existenzielle Grundbedürfnisse in Instrumente der Massenbestrafung und macht gleichzeitig internationale Hilfslieferungen zu einer 

Ein weiteres zentrales Argument des Berichts ist die enge Verzahnung von ökonomischem Profit und systematischer Gewalt. Die wirtschaftlichen Interessen profitieren nicht nur von der bestehenden Gewalt, sondern sind aktiv mitverantwortlich für deren Fortsetzung und Eskalation. Ökonomische Strukturen schaffen und vertiefen Abhängigkeiten und Kontrollmechanismen, die wiederum massive Menschenrechtsverletzungen und Zerstörungen ermöglichen und verstärken. Gewalt und Profit sind so keine voneinander getrennten Phänomene, sondern Teile eines sich gegenseitig verstärkenden Systems.

Der Bericht schließt mit einer klaren Warnung: Wer Waffen liefert, Überwachungstechnologien bereitstellt oder Investitionen absichert, macht sich mitschuldig. Deshalb werden konkrete Konsequenzen gefordert. Staaten müssen Waffenembargos verhängen, Strafverfolgung gegen Mittäterschaft einleiten und alle politischen, wirtschaftlichen und technologischen Kooperationen beenden, die diese Gewalt ermöglichen. Unternehmen und Finanzinstitute müssen sich aus Projekten und Lieferketten zurückziehen, die Völkerrechtsverletzungen finanzieren oder davon profitieren. Nur so lässt sich verhindern, dass sich Profit aus Auslöschung weiter verbreitet.

Albaneses Appell: „Was jetzt kommt, liegt in unserer gemeinsamen Hand.“ Nicht nur Staaten und Unternehmen müssen handeln, sondern auch Gewerkschaften, Jurist:innen, die Zivilgesellschaft und jede:r Einzelne von uns. Durch Boykott, Desinvestition, Sanktionen und juristische Schritte, auf internationaler wie nationaler Ebene, dürfen wir nicht zulassen, dass diese Verbrechen straflos bleiben!