von Franz Sölkner, PalSolÖ
Es ist immer wieder interessant, die Entwicklungen in der US-Politik im Hinblick auf Israel zu verfolgen. Dass dort eine sehr einflußreiche Israel-Lobby am Werk ist, ist allgemein bekannt und wurde von den beiden Politologen John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt 2007 in ihren Buch “Die Israel-Lobby: Wie die amerikanische Außenpolitik beeinflusst wird” eingehend analysiert. Der wirkmächtige politische Hebel besteht aus verschiedenen zionistischen ( jüdischen und christlich-evangelikalen) Netzwerken. Die einflußreichste und finanzkräftigste ist das “American Israel Public Affairs Committee”/AIPAC.
Die AIPAC-Strategie besteht u.a. darin, proisraelische PolitikerInnen auf Bundesebene und in den Bundesstaaten durch Wahlkampffinanzierung in einflußreiche politische Funktionen zu bringen. Diesen Wahlauseinandersetzungen voraus, gehen genaue Analysen, wo ein zionistischer Kandidat realistische Chancen hat gegen einen Konkurrenten zu gewinnen, der sich nicht für zionistische Interessen einspannen lässt oder diese gar kritisiert.
Latimer gegen Bowman
Ein erfolgreiche Kostprobe ihrer Strategie konnte man kürzlich bei den Repräsentantenhaus-Vorwahlen der Demokraten im 16. New Yorker Congress District mitverfolgen. Der Sitz im Kongress wurde bisher vom schwarzen Jamaal Bowman eingenommen. Er hatte den Unwillen der Israel-Lobby erregt, weil er seit einer Palästina-Reise 2021 wiederholt die Politik Israels kritisiert und während des jüngsten brutalen Rachefeldzugs Israels gegen die Bevölkerung des Gaza mehrmals einen sofortigen Waffenstillstand gefordert hatte. Um ihn aus dem Feld zu schlagen, wurde der weiße Israel-Freund George Latimer ins Rennen geschickt. In einem der teuersten Vorwahl-Kämpfe in der Geschichte der USA wurden für nur einen Sitz im Repräsentantenhaus 23 Mio. US-Dollar ausgegeben. Der Herausforderer Latimer wurde dabei mit fast 20 Mio. Dollar unterstützt. 14,5 Mio. Dollar kamen allein von AIPAC. Interessant ist auch, dass viele der AIPAC-Spender dem Lager der Republikaner zuzurechnen sind. Latimer gewann die Auseinandersetzung.
Im Bezug auf Israel berichtet Mondoweiss, eine vom antizionistisch gesinnten US-Juden Phil Weiss betriebene Webseite, immer wieder über interessante Entwicklungen in der Gesellschaft und Politik der USA. Michael Aria, einer ihrer Kommentatoren sieht in der Niederlage Bowmans trotzdem einen positiven Aspekt: Angesichts des Image-Verlustes Israels in der US-Öffentlichkeit sieht sich die Israel-Lobby gezungen zur Gehirnwäsche der WählerInnen immer größere Beträge auszugeben: https://mondoweiss.net/2024/06/weekly-briefing-the-israel-lobby-defeated-jamaal-bowman/
Von der Demokratie über Plutokratie und Oligokratie zur Gerontokratie
Zum Verstehen politischer Systeme wurden im antiken Griechenland mehrere analytisch hilfreiche Begriffe geprägt. Aktuell sind vier davon sind für das politische System der USA erhellend. Weil das Volk seine Repräsentanten im Rahmen einer allgemeinen geheimen Wahl bestimmen darf, ist es in formaler Hinsicht zweifellos eine Demokratie (“Herrschaft des Volkes”). Weil US-Wahlkämpfe extrem teuer sind und der Wahlerfolg wesentlich von der Unterstützung durch reiche und superreiche Spender abhängt, ist es auch eine Plutokratie (“Herrschaft des Geldes”). Da diese elitären Kreise nur eine schmale Oberschicht ausmachen ist es auch eine Oligokratie (“Herrschaft der Wenigen”). Und angesichts des hohen Alters der der beiden aktuellen Präsidentschaftskandidaten Biden (81 Jahre) und Trump (78 Jahre) darf es wohl auch das Prädikat einer Gerontokratie (“Herrschaft der Alten”) beanspruchen.
Wie tröstlich ist da für alle Unterdrückten des Welt ein altes Sprichwort aus der Wiener Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts: “Es san sogor scho Hausherrn g`storbn!”