Erklärung der österreichischen Organisator:innen des Jüdisch Antizionistischen Kongresses in Wien
Der Jüdisch Antizionistische Kongress, der von 13.–15.6.2025 in Wien stattfand, war ein durchschlagender Erfolg. Über die drei Tage hinweg nahmen mehr als tausend Menschen daran teil.
Unsere zentrale politische Botschaft
Alle Menschen dieser Welt, die sich Menschlichkeit bewahrt haben, stehen zusammen gegen den israelischen Völkermord am palästinensischen Volk. Es gibt auch unter Menschen jüdischer Identität eine mächtige und ständig wachsende Bewegung, sich gegen den Völkermord auszusprechen. „Nicht in unserem Namen!“ Sie stellen sich entschieden gegen die Aneignung des Judentums und dessen Missbrauch für den Völkermord durch den Zionismus. Wir sagen gemeinsam, Judentum ist nicht Zionismus. der gefährlichste Feind des Judentums ist der Zionismus selbst. Es muss und wird sich von diesem befreien. Es geht nicht nur darum, den akuten Völkermord zu stoppen, sondern das Problem an der Wurzel anzugehen, nämlich dem zionistischen Siedlerkolonialismus, der nicht nur rassistisch ist, sondern den es ohne Apartheid und Völkermord nicht geben kann. So erklärt Haim Bresheeth-Žabner, Sohn von Holocaust-Überlebenden und Widerstandskämpfern: „Wir wollen nicht nur einen Waffenstillstand, wir wollen ein Ende des Zionismus.“ Im Rahmen des Kongresses wurden auch die historische Alternative eines gemeinsamen demokratischen Staates sowie die Stärken und Schwächen des südafrikanischen Vorbilds diskutiert – So wünschenswert diese Perspektive ist, ist es jedoch das Recht des palästinensischen Volkes, souverän über seine Zukunft zu entscheiden.
Die Zusammensetzung und Herkunft der Redner:innen und Teilnehmer:innen ist bemerkenswert. Angefangen von Holocaust-Überlebenden wie Stephan Kapos, jüdischen und palästinensischen Intellektuellen und Aktivist:innen wie Ilan Pappé, Ramzy Baroud, Iris Hefets oder Ghada Karmi, der europäischen Parlamentarierin Rima Hassan aus Frankreich, der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese, einer Reihe arabischer Jüdinnen und Juden, Gewerkschafter:innen, kritischer Journalist:innen bis hin zu Palästina-Aktivist:innen aus allen möglichen Ländern von Australien über Indonesien bis hin zu den USA. Von der großen jüdischen Delegation aus Südafrika, das die Apartheid besiegen konnte und deswegen als Modell für den Kampf gegen die viel schlimmere israelischeApartheid dient, bis zu Norwegen waren nicht nur westeuropäische jüdische und nichtjüdische Gruppen anwesend, sondern auch solche aus Osteuropa.
Ausgegangen war der Kongress von der erst im Jänner gegründeten „Wiener Jüdisch Antizionistischen Initiative“, der sich andere jüdische Gruppen in Wien und Tirol angeschlossen haben. Sehr viele Student:innen haben sich nicht nur am Kongress beteiligt, sondern ihn als Freiwillige in dieser Form erst möglich gemacht, was die Belebung der Bewegung auf der Uni hervorhebt. Aktivist:innen vieler linker Gruppen und selbst gewerkschaftliche Initiativen waren anwesend, die sich bisher bedeckt gehalten hatten. Wir bedanken uns auch bei der starken Unterstützung durch die muslimische Gemeinschaft, ohne deren Hilfe der Kongress nicht möglich gewesen wäre.
Durchbruch des Antizionismus auch in Österreich
Kurz gesagt: der demokratische Antizionismus hat in Österreich einen Durchbruch erreicht. Er wird wachsen und kann, ja muss zur Massenbewegung werden, wie in anderen Ländern auch.
Der politisch-mediale Komplex hatte keine Handhabe, diese kraftvolle Manifestation zu unterdrücken, war sie doch völlig unabhängig von allen systemnahen Institutionen aufgesetzt. Dazu hätte er offen das Recht auf Meinungsfreiheit in Frage stellen müssen, was er im Gegensatz zur BRD zu vermeiden versucht. Entsprechend haben die österreichischen Medien dieses historische Ereignis verschwiegen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass wir alles richtig gemacht haben und die Botschaft angekommen ist.
Schwerpunkte
Inhaltlich lag besonderes Augenmerk darauf zu zeigen, wie sehr der Zionismus eine illegitime Usurpation des Judentums darstellt, gegen die es von Anbeginn an jüdischen Widerstand gab, sowohl von orthodoxer als auch von säkularer Seite. Dieser Missbrauch ist nur möglich, weil er die volle Unterstützung des westlichen Imperialismus genießt, der Israel zur (neo)kolonialen Beherrschung der Region benutzt. Nur ohne Imperialismus hatte das Zusammenleben der verschiedenen Konfessionen in der muslimischen und arabischen Welt gut funktioniert, wie es am Kongress historisch belegt wurde. Genauso haben sich demokratische, linke und kommunistische Jüd:innen in Europa für die Integration eingesetzt, aber nicht in den Kapitalismus, sondern mittels Kampfes für eine emanzipierte Gesellschaft.
Ganz wichtig waren die Präsenz und aktive Teilnahme von Araber:innen jüdischen Glaubens, die Israel und den Zionismus ablehnen und als Teil der arabischen Nationen leben. Camille Lévy Sarfati berichtete auf beeindruckende und berührende Weise von ihrer Rückkehr nach Tunesien, die Heimat ihrer Großeltern, aus Frankreich, wo ihre arabische Identität diskriminiert worden war.
Zentral für den Kongress und die ganze Bewegung ist und bleibt die „Ökumene“. Menschlich zu sein, heißt antizionistisch zu sein. Antizionismus kann und darf auf keine Religion, Nationalität, Kultur oder sonstige Identität begrenzt werden. Jüdische Antizionist:innen sind dabei wichtig, um den Missbrauch des Judentums zu be- und – eines Tages sogar – verhindern zu helfen. Wir sind alle mit Gaza und dem palästinensischen Widerstand gegen den Zionismus und treten für die Dekolonisierung Palästinas ein.
Der Kongress bekannte sich zum Antifaschismus und betonte, dass der Antizionismus gleichbedeutend mit diesem ist. Stephen Kapos, der als Siebenjähriger unter dem Nazi-Regime den Judenstern tragen musste, bezeichnete es als unerhört, dass Vertreter Israels, das einen Völkermord begeht, bei der UNO mit Judenstern posieren. Die Kaperung des Antifaschismus durch den Imperialismus und Zionismus muss bekämpft und beendet werden. Wir bekennen uns wieder und wieder zum Mauthausen-Schwur, der uns den antifaschistischen Auftrag der überlebenden KZ-Häftlinge überbringt, für gleiche Rechte für alle Menschen, die Freundschaft der Völker und gegen jede Form von Imperialismus zu kämpfen. Ramzy Baroud drückte das so aus: „Zionismus und Imperialismus ist das gleiche und die Palästinenser haben das von Anfang an verstanden.“ Die Welt muss folgen.
Die westlichen Regime sind nicht nur für den Völkermord an den Palästinenser:innen verantwortlich, sondern sie zerstören auch die demokratischen Errungenschaften nach innen hin. Das ganze Gerede von „westlichen Werten“ erweist sich angesichts des unsagbaren Horrors in Gaza als Lug und Trug. Wer das aufzeigt, soll zum Schweigen gebracht werden. Der Kongress stellte fest, dass die Solidaritätsbewegung mit den Palästinensern nicht nur grundlegend demokratisch ist, sondern dass sie die Messlatte für die Meinungsfreiheit darstellt. Wenn Kritik am Völkermord nicht mehr sagbar ist, dann sind wir zurückgeworfen auf die finstersten Zeiten der Diktatur und der Kriegstreiberei.
Zur Verteidigung der demokratischen Grundrechte gehört auch das Engagement für die muslimischen Bürger:innen, die vom politisch-medialen Herrschaftsapparat zum Feindbild gemacht werden. Gerade jüdische Aktivist:innen erkennen in der antimuslimischen Hetzkampagne die Struktur des historischen Antisemitismus.
Praktisch zeitgleich mit dem Kongress fand der Überfall Israels auf den Iran statt. Dieser wurde einhellig verurteilt, genauso wie der ständige Bombenterror des zionistischen Militärapparats gegen den Libanon, Syrien und den Jemen. Israel und die USA sind dabei, uns in einen Dritten Weltkrieg zu treiben. Der Kongress wies darauf hin, dass der Kampf gegen den Völkermord und den Zionismus Aufgabe einer globalen Friedensbewegung ist.
Nächste Aufgaben
Im Kern handelte es sich um einen Kongress weltweiter antizionistischer Solidarität mit starkem jüdischem Anteil, denn die Basis des Antizionismus ist natürlich der palästinensische und arabische Widerstand gegen die koloniale Besatzung und die westliche Unterwerfung selbst. In dieser Art war die Zusammenkunft ein einzig- und neuartiges Ereignis. Der Kongress diente zunächst dazu, Positionen zu etablieren und ein Bündnis mit einem wachsenden jüdischen Antizionismus zu entwickeln. Es wurde im Kongressverlauf auch über mögliche gemeinsame Aktionen und Aktivitäten gesprochen. Im Zentrum steht der Kampf für Sanktionen, wo es nicht nur weltweit, sondern auch in Europa starke Ansätze auf vielen Ebenen gibt. Komplementär dazu steht der Aufbau einer antizionistischen Solidaritätsbewegung, und insbesondere ihres jüdischen Anteils, die sich weiter stärken, besser artikulieren und zusammenschließen will. Ein globaler antizionistischer Aktionstag wurde ins Auge gefasst genauso wie ein weiterer Kongress. Für Österreich geht es darum, die jüdischen Stimmen auf Seiten der Palästinenser:innen weiter zu (be)stärken, sie hörbarer zu machen und sie zu organisieren, denn das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft. Noch schweigen viele, zu viele. Wir wollen die Palästina-Solidarität, die ein antizionistischen Bündnis ist, weiterentwickeln. Ein wesentliches politisches Element besteht in der Beteiligung der Palästina-Solidarität an einer politisch-sozialen Opposition hier für demokratische Grundrechte, soziale Gerechtigkeit und für die Einhaltung der verfassungsgemäßen Neutralität.