
Protest zur Eröffnung der Salzburger Festspiele: Kunst darf nicht nur dort kritisch sein, wo es bequem ist
„Gerade dieser Krieg hat bewiesen, dass das Theater nicht entbehrlicher Luxus für die oberen Zehntausend, vielmehr ein unentbehrliches Lebensmittel für die Allgemeinheit ist.“ – Max Reinhardt, 1917
Es ist an der Zeit, die Salzburger Festspiele an das Ethos ihrer Gründer zu erinnern.
Während sich heute, am 26. Juli 2025, die politische und finanzielle Elite des Landes in der Felsenreitschule einfindet und die Festspielsaison feierlich eröffnet, stehen palästinensische Kinder in Gaza vor dem Hungertod. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und die österreichische Bundesregierung sehen nach bald zwei Jahren Genozid immernoch tatenlos zu, wie die israelische Armee tagtäglich Zivilist:innen ermordet und die Einfuhr von Hilfsgütern nach Gaza blockiert. Die Festrednerin Anne Applebaum spricht über „Demokratie und Musikfestspiele“, aber schweigt über Israels dokumentierte Angriffe auf Journalist:innen, Ärzt:innen und Rettungskräfte. Die Firma Siemens, einer der Hauptsponsoren der Festspiele, beteiligt sich mit Infrastrukturprojekten an der illegalen Besiedelung der besetzten Gebiete – und macht sich damit an Kriegsverbrechen mitschuldig. Drohnen mit österreichischen Komponenten schießen in Gaza auf unbewaffnete Frauen, Männer und Kinder. Während in Gaza ein ganzes Volk verhungert, herrscht in Salzburg Feststimmung. Von Reinhardts ‚unentbehrlichen Lebensmitteln‘ ist auf diesen Theaterbühnen keine Spur.
Wir sagen: Es reicht
Die Salzburger Festspiele dürfen nicht zum Ort der Verdrängung werden. Sie müssen das vielzitierte Erbe ihrer Gründer ernst nehmen – und Stellung beziehen, für einen sofortigen Waffenstillstand und ein Ende des Völkermords. Deshalb setzen wir heute zum Festakt der Salzburger Festspiele ein Zeichen für Palästina.
Unsere Forderungen an die österreichische Bundesregierung:
1. Sanktionen gegen Israel
Das systematische Aushungern der Bevölkerung in Gaza muss sofort gestoppt werden. Die österreichische Bundesregierung trägt die politische und moralische Verantwortung, diese eklatanten Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen klar und unmissverständlich zu verurteilen. Österreich muss sich mit Nachdruck für das sofortige Ende aller Kampfhandlungen und die uneingeschränkte Versorgung der Bevölkerung Gazas mit Lebensmitteln, medizinischer Hilfe und weiteren Hilfsgütern einsetzen. Die umgehende Öffnung des Grenzübergangs Rafah sowie der sichere Zugang für humanitäre Organisationen sind unumgänglich. Es kann kein freundschaftliches Verhältnis mit einem Staat geben, der einen Völkermord begeht. Das ist Mittäterschaft.
2. Verteidigung der Neutralität Österreichs
Die österreichische Bundesregierung sowie heimische Unternehmen müssen umgehend alle politischen, wirtschaftlichen und militärischen Verbindungen zu Israel beenden. Solange Israel schwerste Menschenrechtsverbrechen begeht und das humanitäre Völkerrecht in Gaza systematisch bricht, ist jede Form der Zusammenarbeit eine aktive Mitverantwortung. Es muss umgehend sichergestellt werden, dass sämtliche NATOWaffentransporte durch Österreich gestoppt werden. Die Lieferung österreichischer Komponenten für israelische Drohnen muss sofort gestoppt werden. Österreich hat sich in seiner Verfassung der „immerwährenden Neutralität“ verpflichtet. Dieser Auftrag ist kein Lippenbekenntnis, er muss ernst genommen und durch entschlossenes Handeln umgesetzt werden. Neutralität heißt: keine Waffen für Krieg, keine Komplizenschaft mit Völkerrechtsbrechern.
3. Schluss mit der Verdrehung des Antisemitismusbegriffs
Die historische Mitschuld Österreichs am Holocaust darf nicht als Rechtfertigung für heutige Verbrechen missbraucht werden. „Nie wieder“ muss für alle Menschen gelten. Israels Vorgehen in Gaza als das zu bezeichnen, was es ist – Genozid und ethnische Säuberung -, ist nicht Antisemitismus, sondern moralische Pflicht. Die Erinnerung an unsere nationalsozialistische Vergangenheit verpflichtet uns dazu, an der Seite der Unterdrückten zu stehen – in diesem Fall an der Seite des palästinensischen Volkes.
4. Eine Stimme für Palästina – Für eine klare Positionierung der Salzburger Festspiele
Die Festspiele verstehen sich 2025 als Ort des künstlerischen Widerstands gegen Krieg und Unterdrückung – doch zur Gewalt in Gaza schweigen sie. Warum? Diese Leerstelle ist politisch opportun. Wir fordern das Direktorium auf, palästinensische Stimmen sichtbar zu machen und der Grausamkeit der Verbrechen in Gaza nicht länger auszuweichen. Kunst darf nicht nur dort kritisch sein, wo es bequem ist.
Max Reinhardts sah Frieden und Humanität als Kern der Festspiel-Idee. Die Salzburger Festspiele und die Republik Österreich stehen in der Verantwortung, dieses Erbe zu bewahren – und ihn gegen gegenwärtiges Unrecht zu verteidigen.
Für Gerechtigkeit. Für Frieden. Für ein freies Palästina.
**English version**
Protest at the Opening of the Salzburg Festival: Art must not only be critical when it’s convenient
„This war, above all, has proven that theatre is not a dispensable luxury for the upper ten thousand, but rather an essential necessity for the public at large.“ — Max Reinhardt, 1917
It is time to remind the Salzburg Festival of the ethos of its founders.
Today, on July 26, 2025, as the country’s political and financial elite gather in the Felsenreitschule to ceremoniously open the festival season, Palestinian children in Gaza face death by starvation. After almost two years of genozide, Austrian President Alexander Van der Bellen and the federal government stand by and watch as the Israeli military kills civilians every day and blocks the delivery of humanitarian aid into Gaza. The keynote speaker, Anne Applebaum, speaks of “Democracy and Music Festivals” but remains silent on Israel’s documented attacks on journalists, medics and aid workers. Siemens, one of the festival’s main sponsors, is involved in infrastructure projects that support the illegal settlement of occupied territories—making the company complicit in war crimes. Drones equipped with Austrian-made components are being used in Gaza to fire on unarmed women, men, and children. While an entire population in Gaza is starving, in Salzburg, the mood is celebratory. There is no trace of Reinhardt’s “essential necessities” on these stages.
We say: Enough
The Salzburg Festival must not become a space of willful ignorance. It must take the oftcited legacy of its founders seriously—and take a stand: for an immediate ceasefire and an end to genocide. That is why today, during the Salzburg Festival’s official opening, we are raising our voices for Palestine.
Our Demands to the Austrian Federal Government
1. Sanctions Against Israel
The systematic starvation of Gaza’s population must end immediately. The Austrian government bears both political and moral responsibility to clearly and unequivocally condemn these grave human rights violations and war crimes. Austria must urgently advocate for the immediate end of all combat, and for unrestricted delivery of food, medical aid, and other essential supplies to the people of Gaza. The Rafah border crossing must be reopened without delay, and humanitarian organizations must be guaranteed safe access. There can be no “friendly” relations with a state committing genocide. That is complicity.
2. Uphold Austria’s Neutrality
The Austrian government and domestic companies must immediately sever all political, economic, and military ties with Israel. As long as Israel continues to commit severe human rights abuses and systematically violate international humanitarian law in Gaza, any form of cooperation represents active complicity. All NATO arms transports through Austrian territory must be halted at once. The export of Austrian-made components used in Israeli drones must be stopped immediately. Austria’s constitution enshrines its commitment to „perpetual neutrality.“ This is not an empty promise—it must be taken seriously and put into practice through decisive action. Neutrality means: no weapons for war, no complicity in violations of international law.
3. Stop the Misuse of the Term ‚Antisemitism‘
Austria’s historical responsibility for the Holocaust must not be used to justify present-day crimes. Never again” must apply to all people. Calling Israel’s actions in Gaza what they are—genocide and ethnic cleansing—is not antisemitism, it is a moral obligation. Remembering our National Socialist past demands that we stand with the oppressed—in this case, with the Palestinian people.
4. A Voice for Palestine – A Clear Position from the Salzburg Festival
The Salzburg Festival in 2025 claims to be a site of artistic resistance against war and oppression—yet it remains silent on the violence in Gaza. Why? This silence is politically convenient. We call on the festival’s leadership to make Palestinian voices visible and to stop turning away from the brutality of what is happening in Gaza. Art must not only be critical when it’s comfortable.
Max Reinhardt saw peace and humanity as central to the Festival’s purpose. The Salzburg Festival—and the Republic of Austria—have a responsibility to preserve that legacy and to defend it in the face of present-day injustice.
For justice. For peace. For a free Palestine.