Mord verschweigen, um Jugend zu schützen – Die künstlerisch gestaltete Auslage im Geschäft Zahraa in Wien Floridsdorf musste entfernt werden, Anzeigen wurden in Aussicht gestellt. Die Begründung: Die Darstellung von palästinensischen Leichen würde gegen das Jugenschutzgesetz verstoßen. Die Logik dahinter ist deutlich: Nicht dass Völkermord passiert, ist der Skandal, sondern dass dafür Aufmerksamkeit geschaffen wird. Deshalb erfolgt hier ein allgemeiner Aufruf der Palästina Solidarität Österreich an alle Aktivist:innen und Künstler:innen.

Die Geschäftsbetreiberinnen des Zahraa-Shops in Wien Floridsdorf wollten nicht mehr schweigend mitansehen, wie die Palästinenser:innen masskriert, erschossen und durch eine unmenschliche Blockade in den Hungertod getrieben werden. Da sie an der belebten Brünner Straße Schaufensterflächen zur Verfügung hatten, wollten sie ein Zeichen setzen gegen den Völkermord. Sie wandten sich an Palästina Solidarität Österreich, Rahma Austria und die Palästinensische Ärzte- und Apothekervereinigung und stellten ihnen die Schaufensterflächen zur Verfügung, um sie zu gestalten. Die unfassbaren Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Israel in Gaza, aber auch in der Westbank verübt, sollten ins Bewusstsein der Menschen gerückt werden, die herbeigeführte humanitäre Katastrophe darf nicht schweigend hingenommen werden. Eine künstlerische Schaufensterinstallation entstand.

Das wollten die „Sittenwächter” der offiziellen Politik in Österreich nicht hinnehmen. Das Marktamt kam gemeinsam mit der Polizei ins Geschäft und forderte die sofortige Entfernung der Installation. Die Begründung: Durch die Darstellung der Leichen von Palästinenser:innen (Schaufensterpuppen unter einem Tuch!) wäre der Jugendschutz gefährdet. Die Betreiber:innen wurden nach dem Wiener Jugendschutzgesetz angezeigt. Das Geschäft wurde gleich einmal einer peniblen Kontrolle unterzogen.

Schnell waren auch die Medien zur Stelle, um von dem großen „Coup“ zu berichten. Was da passiert, hört sich so an: „Mit Polizeiverstärkung rückten die Mitarbeiter der Stadt an und verlangten die sofortige Entfernung der geschmacklosen Auslagendekoration.“ (Heute) Die Schaufensterdekoration, die auf das menschliche Elend in der Folge von Völkermord und Hungerkrieg aufmerksam macht, ist also geschmacklos! Was sind dann der Völkermord und der Hungerkrieg?

Andreas Kultheil, seines Zeichens Marktamtsdirektor, erklärt ausgerechnet am 80. Jahrestag des Abwurfes der Hiroshimabombe: „Die Darstellung von Gewalt in der Öffentlichkeit ist in Wien durch das Wiener Jugendschutzgesetz eindeutig geregelt. Diese Darstellung in dem Schaufenster hat mit der Erwerbsfreiheit oder auch mit dem Unternehmen selbst nichts zu tun und stellt diese Dekoration keine verkaufsfördernde Maßnahme dar.“ (oe24) Auch die Krone scheint das so zu sehen: „Doch die ‚Leichen’ waren in Wahrheit Schaufensterpuppen – ausgestellt in einem Modegeschäft in Wien-Floridsdorf. Daneben: Kerzen, ein Topf, ein schwarzer Schleier und eine palästinensische Kufiya. Die Szenerie erinnerte an eine politische Gedenkinstallation – verstörend.“ (Krone) Verkaufsfördernd und akzeptabel versus politisch gedenkend und verstörend? Eine entlarvende Gegenüberstellung.

Es handelte sich tatsächlich nicht um eine verkaufsfördernde Maßnahme. Unsere Aufgabe als Palästinasolidarität ist es sicher nicht, einen Völkermord zu verkaufen und aus dem Hungertod von Menschen ein Geschäft zu machen! Offensichtlich wäre das dann erlaubt. Der Kleiderriese ZARA missbraucht die Opfer in Gaza, um durch Werbung den Verkauf zu fördern und eröffnet Flaggschifffilialen in Tel Aviv, während eines stattfindenden Völkermords (Völkermord darf keine Mode werden). Das sind verkaufsfördernde Maßnahmen. Wer aber zum Boykott von ZARA im Rahmen von BDS aufruft, wird kriminalisiert, denn das ist nicht verkaufsfördernd (BDS-Verbot Steiermark). 

Wir verweigern uns dieser bewusst verdrehten Welt: Bei dem Schaufenster von Zahraa handelte sich um eine künstlerische Installation, um Aufmerksamkeit zu schaffen, wo offizielle Politik und Medien versagt haben. 

UNICEF hat Gaza zum gefährlichsten Platz erklärt, ein Kind zu sein. Das war so im Dezember 2023 (UNICEF) und das ist so im Mai 2025 (UNICEF). Seit über 22 Monaten wird jede Stunde ein Kind in Gaza ermordet! Nicht enden wollend und übervoll sind die Medien von bewusst erschossenen Kindern, die sich an den einzigen Ausgabestellen nur um Lebensmittel anstellen, von den rund 20.000 Kindern, die ermordet wurden, und die die Hauptleidtragenden sind (Gaza – ein Kinderfriedhof)! Doch die Offiziellen in Österreich, sie sagen mehr oder minder unverblümt: „Nicht, dass diese Verbrechen begangen werden, ist der Skandal. Sondern, dass sie benannt und gezeigt werden.“ 

Ein palästinensisches Kind hat keine Kindheit. Wenn es nicht ermordet wird, dann erfährt es Verstümmelung, Trauma über Trauma, ohne Ende, ohne Sicherheit. Das ist die Realität! Aber die politischen Wiener Verantwortlichen gleich welcher Couleur sagen: „Verschweigt es! Schaufensterpuppen unter Tüchern traumatisieren die österreichische Jugend!“ Das ist die Verkehrung der Realität. 

Palästinensische Kinder und Jugendliche in Österreich werden tatsächlich traumatisiert, durch die offizielle Haltung, durch die Medien, indem ihr Schrecken nicht anerkannt und nicht gesehen wird. Indem das Unfassbare verschwiegen wird, indem nicht darüber gesprochen werden darf. Mit Verstörung und Verwirrung angesichts des Schlachtens in Gaza werden die Kinder und Jugendlichen in Österreich alleingelassen. Wo ist die Schule, die ein Hilfsprojekt für Gaza initiiert, die ein Friedensprojekt für Palästina organisiert? Für die Ukraine gab es solche Projekte, denn „kein Mensch sollte in der Situation sein, die nun allen Ukrainer*innen zugestoßen ist” (Universität, BMB). Hierzulande müssen Kinder und Jugendliche lernen, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, dass man keine Ansprechpartner:innen findet, wenn es um Palästinenser:innen geht, wenn es um Muslim:innen geht, dass man aufpassen muss, damit man nicht stigmatisiert und gestraft wird. Es genügt ein Blick auf die Angebote aus dem Bildungsministerium (BMB1, BMB2). Wir haben uns diesem Missbrauch nie gebeugt. Die mutigen Betreiberinnen von Zahraa haben sich diesem Missbrauch nicht gebeugt. Wir decken die Wahrheit nicht zu, wir schauen hin!

Es war der SP-Bezirksvorsteher Georg Papai, der dem Marktamt den Hinweis gab, es war offizielle Politik, sinngemäß zu sagen: „Wo ein Wille, da ein Weg. Findet einen Grund. Tut was dagegen.“ Gemeint war aber nicht, gegen den Völkermord, gegen das Leid in Gaza etwas zu tun. Gemeint war, die Schaufensterinstallation zu illegalisieren. Das zeigt auch, was von den Beteuerungen des Vizekanzlers zu halten ist, dass man das Leid in Gaza ernst nehme und Verständnis habe (Babler): Reines Wortgeplänkel. Wenn es um die Darstellung der Wahrheit geht, setzt die SPÖ wie die anderen Parteien im Gemeinderat auf Unterdrückung. In Zahraa ist die Polizei schon vor dem Marktamtsauftritt aufmarschiert: „Was denn in der Auslage geplant sei? Achtung vor der Gewerbeordnung!“ Wer erlebt hat, wie die Gesetze gebogen wurden, um die Palästina-Veranstaltungen zu verbieten und zu unterdrücken, weiß, was das heißt: „Wir finden etwas, wir drehen euch ab.“ 

Wiens FP-Chef Dominik Nepp darf in den Medien ins gleiche Horn stoßen und die Installation gleich einmal „extremistische Propaganda“ nennen, womit das Sprechen über Palästina gemeint ist. Das Marktamt sieht das genauso, schiebt allerdings in bürokratischer Manier den Jugendschutz vor, und nennt es nicht „extremistische“ Propaganda, sondern „jugendgefährdend“. Im Kern bleibt es das Gleiche. 

„Wenn es um den Jugendschutz geht, kennt das Marktamt kein Pardon. Die Verantwortlichen müssen auf jeden Fall mit mehreren Anzeigen rechnen“, erklärt der Direktor (Heute). Man könnte meinen: Wenn es um Palästina geht, kennt das Marktamt kein Pardon. 

Oskar Deutsch hat diese Haltung in der ZiB2 ausgedrückt (Deutsch): „Das wissen wir nicht“, ob in Gaza die Menschen verhungern, ob gegen Völkerrecht verstoßen wird, wie schlecht es den Palästinenser:innen wirklich geht… „Was wir wissen“, ist, dass die Hamas die Kinder an den Lebensmittelausgabestellen erschießt. Wenn es um Palästinenser geht, kennt man kein Pardon.

Die Botschaft ist so unmissverständlich wie pervers: Palästinenser:innen dürfen bombardiert, erschossen und durch Hunger ermordet werden, ohne dass im offiziellen Österreich etwas passiert. Doch wer aufsteht, die Stimme erhebt und darüber spricht, wird bestraft. Wer die Schweigehaltung hierzulande leid ist und sein Geschäft zur Verfügung stellt, um Menschlichkeit sprechen zu lassen, bedroht die Kinder! Nicht das Verbrechen ist geschmacklos, sondern seine Benennung, seine Darstellung und für dieses Verbrechen und seine Hunderttausenden Opfer Aufmerksamkeit zu schaffen. 

Sicher ist eines: Hinter diesen Schikanen steht die Angst, die den politischen Eliten ins Mark gefahren ist: Während sie nach wie vor den Völkermord unterstützen, zensieren, verschweigen und keine Sanktionen gegen die Verbrechen Israels zulassen und umsetzen, fürchten sie, dass andere Unternehmen und Geschäfte dem Beispiel Zahraas folgen und ihre Geschäftsflächen dem Anliegen der Menschlichkeit und Palästinas zur Verfügung stellen. 

Wer sich von all dem Muslim-Framing nicht vernebeln lässt, kann sich selbst ein Urteil bilden, wer in Wahrheit die Kinder und ihre Zukunft gefährdet. Es bleibt dabei: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar!“

Martin M. Weinberger (Palästina Solidarität Österreich)