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Am Freitag, den 8. August, kündigte Israels Premierminister Netanjahu die Ausweitung des Genozids auf eine vollständige Einnahme von Gaza-Stadt an. Wenige Stunden später erklärte der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz in einer überraschenden Zäsur mit der bisherigen deutschen Israelpolitik, dass „die Bundesregierung bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können“, genehmige.

Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant Israels und verantwortlich für rund 30% seiner Militärimporte. Zwischen dem 7. Oktober 2023 und Mitte Mai 2025 genehmigte Berlin Rüstungsexporte im Wert von 485,1 Mio. Euro. Diese Lieferungen umfassten unter anderem Handfeuerwaffen, Munition, Bomben, Elektronik und vor allem Ausrüstung für die Marine, darunter Kriegsschiffe und U-Boote.

Merz’ jetzige Entscheidung aber betrifft vor allem Ersatzteile und Komponenten, die in Panzern oder Hubschraubern eingesetzt werden könnten. Lieferungen für Israels Marine, die den Großteil der Exporte ausmachen, die aber in Gaza keine direkte Rolle spielen, bleiben ausgenommen. Insider berichten zudem, dass Genehmigungen für Munition bereits seit Monaten nicht mehr erteilt wurden. Die unmittelbaren militärischen Auswirkungen des Beschlusses sind daher für Gaza begrenzt.

Trotzdem ist der Schritt von enormer symbolischer Bedeutung. Er markiert einen historischen Bruch mit der seit dem Nationalsozialismus geltenden Maxime, die Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson zu betrachten. Dass einer der engsten Verbündeten Israels diesen Schritt geht, ist ein deutliches und wichtiges politisches Signal.

Österreichs Rolle und Verantwortung

Auch Österreich ist trotz Neutralitätsstatus zutiefst in militärische Kooperationen mit Israel verstrickt. Laut UN-Handelsdaten exportierte Österreich 2024 Waffen, Munition und Zubehör im Wert von rund 556 000 US-Dollar nach Israel. Offiziell wirkt das wie eine kleine Summe, tatsächlich aber verschleiern solche Zahlen oft den Umfang von „Dual-Use“-Lieferungen (Technologien, die zivil wie militärisch nutzbar sind). 

Noch gravierender ist ein aktueller Kaufvertrag des österreichischen Bundesheers mit dem israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems (in Österreich vertreten als ESLAIT): Mörsertürme für den Pandur-Panzer (oben abgebildet) im Wert von 53 Mio. US-Dollar. Solche Geschäfte binden Österreich faktisch an die Kriegsmaschinerie Israels und konterkarieren jede Berufung auf Neutralität.

Unsere Position ist klar: Merz’ Schritt ist ein politisches Eingeständnis, dass Israels Vorgehen in Gaza nicht mehr vorbehaltlos getragen werden kann. Er ist das Ergebnis wachsenden öffentlichen Drucks und er beweist, dass Protest und internationale Solidarität Wirkung haben. Aber er reicht keinesfalls. Symbolik stoppt keinen Genozid.

Unsere Forderung: Österreich muss Deutschland sofort folgen und sämtliche Waffenexporte – auch „Dual-Use“-Lieferungen – an Israel beenden. Unsere Neutralität verpflichtet uns dazu. Darüber hinaus müssen umgehend Sanktionen gegen die israelische Regierung verhängt werden, um den Genozid zu stoppen.

Jetzt ist der Moment, wir müssen dran bleiben. Wir haben gesehen, dass politischer Druck Veränderungen erzwingen kann. Wir können nicht zulassen, dass diese Entscheidung als bloßes Symbol verpufft. Nutzen wir den Bruch im Konsens der Kriegslieferanten, um den Diskurs weiter zu verschieben: hin zu Sanktionen, zu einem Ende der Waffenlieferungen, zu einem Ende aller militärischen, wissenschaftlichen und kulturellen Kooperationen und für ein freies Palästina.

Initiative Palästina Solidarität (IPS)

Quellen

  • Bundesregierung (2024): Genehmigungen nach Israel im Jahr 2024 – rund 161 Mio. €, 18. Dezember 2024.
  • Bundesregierung (2025): Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung im 1. Quartal 2025, 3. April 2025.
  • Der Spiegel (2024a): Friedrich Merz: Waffenstopp für Israel überrascht und spaltet die Union, 9. August 2024.
  • Der Spiegel (2024b): Bundesregierung stoppt Waffenlieferungen für Israels Gazakrieg, 9. August 2024.
  • Militär Aktuell (2024): GDELS-Steyr & Elbit: Crossbow-Mörser für Pandur, Mai 2024.
  • UN Comtrade (o. J.): Internationale Handelsstatistiken.
  • Tagesschau (2024): Welche Waffen liefert Deutschland an Israel?, 5. August 2024.
  • TAZ (2024): Rüstungsexporte nach Israel, 7. August 2024.
  • ZEIT (2025): Rüstungsexporte: Bundesregierung genehmigte Waffenexporte an Israel für fast eine halbe Milliarde Euro, 3. Juni 2025.