Global Sumud Flotilla, Meinl-Reisinger und der unüberbrückbare Kluft zwischen Solidarität und Komplizenschaft
Hoffnung und Empörung lassen sich schwer miteinander vereinbaren. Doch die Lehren der letzten beiden Völkermordjahre zwingen uns Palästinenser:innen, mit widersprüchlichen Gefühlen zurechtzukommen.
Unsere Hoffnung steigt auf, wenn wir sehen, wie gewissenhafte Menschen ihr Leben riskieren, um unseren ausgehungerten und hilflosen Familien in Gaza Nahrung und Medikamente zu bringen.
Erol, Juli, Ashraf und Marie-Sophie kehrten nach einer schrecklichen Erfahrung, Gott sei Dank, wohlbehalten nach Hause zurück. Ihre humanitäre Mission war von Anfang an von Einschüchterung und Gefahr geprägt. Von Drohnenangriffen in Tunesien über Schallbomben und Reizgas in internationalen Gewässern bis hin zur Entführung, gipfelte schlussendlich ihre Reise in ihrer Verschleppung in das berüchtigte Folterlager Ktzi’ot. Dort wurden sie als Terroristen beschimpft und auch so behandelt. Nachts mussten sie stundenlang auf dem Boden sitzen, die Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken gefesselt, und wenn sie um medizinische Versorgung baten, erhielten sie die Antwort: “Wir haben keinen Doktor für Tiere.“
Vom österreichischen Außenamt fehlte ihnen und ihren Angehörigen jegliche Unterstützung. Sich über die Verantwortungslosigkeit der Regierung im Zusammenhang mit ihrer Entführung und Folter darf wohl enttäuschend ja sogar unverzeihlich vorkommen. Eine öffentliche Verurteilung der illegalen Handlungen von Israel blieb weiterhin auf der Strecke. Sie warten bis heute auf eine offizielle Stellungnahme des Außenamts, vergeblich.
Die Haltung der Regierung ist nicht das Einzige, was unsere Feierlichkeiten zu Ehren unserer heldenhaften Aktivist:innen trübt. Uns ist das nicht neu, denn über die letzten zwei Jahren des Völkermords wich die Regierung kaum von ihrer anti-palästinensischen Haltung ab. Das Beste, was sie uns angeboten hat, waren bloße Lippenbekenntnisse.
Doch was neuerlich zu unserer Empörung sorgt, ist die Ernennung eines Diplomaten zu Österreichs erstem Nahost-Sondergesandten seitens der Außenministerin Beate Meinl-Reisinger. Eine Ernennung, die uns sowohl inhaltlich unverständlich als auch formal unfassbar vorkommt.
Zur inhaltlichen Begründung sagt das Außenamt, der Nahe Osten sei seit jeher ein Schwerpunkt österreichischer Außenpolitik. Mit der Ernennung wolle Österreich „einen sichtbaren Beitrag zur Stabilisierung leisten“ in einer „hochdynamischen Phase“ für die Region.
Weiterhin sollen laut Außenministerium die zentrale Schwerpunkte des Mandats des Sondergesandten unter anderem die Förderung von Friedens- und Vermittlungsprozessen in der Region, eine kohärente Abstimmung zwischen humanitärer Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Außenpolitik sowie die Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.
Soweit liefert uns diese Begründung nichts über eine vermutliche Rolle Österreichs, die den Posten eines Sondergesandten rechtfertigt. Doch jenseits der Spekulationen stellen sich unschuldige Fragen, die beantwortet werden müssen, um unsere Bedenken auszuräumen und diese Aktionen aus dem Bereich bloßer Pose herauszuholen.
Wie soll diese Ernennung uns Palästinenser:innen davon überzeugen, dass es sich um ein ernsthaftes Bemühen handelt, wenn die Regierung uns in den letzten zwei Jahren des Völkermords nur den Rücken gekehrt, unser Leid ignoriert und jede Solidarität mit unserem Volk denunziert hat?
Wie kann diese Ernennung unserem Volk zugutekommen, wenn die Regierung sich weiterhin weigert, das Recht unseres Volkes auf Selbstbestimmung in seinem eigenen souveränen Staat anzuerkennen?
Wie kann uns diese Ernennung glaubwürdig erscheinen, wenn die Regierung bei jeder Gelegenheit ihre unerschütterliche Solidarität mit dem völkermörderischen, verbrecherischen Schurkenstaat Israel beteuert?
Und nicht zuletzt: Wie können wir unsere Familien in Palästina einer Regierung anvertrauen, die Erol, Juli, Ashraf und Marie-Sophie im Folterlager Ktzi’ot im Stich gelassen hat?
Doch unsere Empörung über die Form der Ernennung des Sondergesandten übertrifft bei weitem die über den Inhalt. Es handelt sich dabei um Arad Benkö, ein Mitglied bei „ATID – Team Oskar Deutsch“, jener politischen Bewegung der IKG Wien, ehemaliger Direktor des Kulturforums Tel Aviv und Pressesprecher der österreichischen Botschaft dort (2006 – 2009).
Eine Ernennung, um gut genug von einem Fauxpas, wenn nicht sogar einem diplomatischen Patzer, der einen Mangel an Sensibilität und Höflichkeit zeugt und die Grenzen angemessener Diplomatie überschreitet, zu sprechen.
Da sich das Ministerium um allfällige Zusatzkosten der neuen Position des Sondergesandten sorgen macht und nur die Reisekosten als Ausnahme angibt, sehe ich mich berufen, ihre Sorgen zu besänftigen, da sogar die Reisekosten nicht ins Gewicht fallen werden.
Mein Tip:
Seinem Mandat nach sollte Herr Benkö wohl zwischen der CMCC-Kommandozentrale in Kiryat Gat und dem COGAT-Sitz in der Kirya pendeln. Denn dort werden humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Außenpolitik am kohärentesten abgestimmt.
Ein erbärmlicher Schachzug der österreichischen Diplomatie, der sich voll und ganz in die Komplizenschaft der letzten zwei Jahre des Völkermords einfügt.
ein zutiefst enttäuschter Austro-Palästinenser
Kommentar von Fritz Weber:
Also wenn der Herr Deutsch da auch dahintersteht, ist das noch zusätzlich ein „Hammer“. Der ist in meinen Augen ein „Antisemit der anderen Art“ (in Anlehnung an Odeh Bisharats Titulierung des „neuen israelischen Antisemitismus“ ), insbesondere seit der IKG-Präsident zusammen mit Komplizen wie Muzicant und Edtstadler auf besonders bösartige Weise im Mai vor zwei Jahren öffentlich gegen Omri Boem als Redner bei den Festwochen agitiert hat.
Dies ist dokumentiert in:
Israel-Lobbyisten attackieren Zionismus-kritische Juden.
Der „neue israelische Antisemitismus“ am Beispiel der zionistischen Kampagne gegen Omri Boehms „Rede an Europa“
