Am vergangenen Samstag, den 29.11, wurde im Zuge der Demonstration „Friede braucht Gerechtigkeit – Freiheit für Palästina“ unser Mitdemonstrant Ahmed Hilal von der Polizei angehalten und im Anschluss festgenommen. Dieser hatte, wie viele andere Aktivist:innen auf der Demonstration, den Spruch „From the river to the Sea, Palestine will be free“ gerufen.

Mit dem Spruch bringen wir zum Ausdruck, dass nur durch ein Ende des Kolonialismus ein echter und gerechter Frieden für alle möglich wird. Wir richten uns damit gegen die kolonialen Phantasien eines „Groß-Israel“, die in den Vertreibungen und dem Morden im Westjordanland und dem anhaltenden Völkermord im Gazastreifen ihren Ausdruck finden und fordern im Einklang mit Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte („Alle Menschen sind gleich an Rechten und Würde geboren“) gleiche Rechte für alle Menschen in der Region.

Der Spruch ist, wie bereits mehrfach von unterschiedlichen österreichischen Verwaltungsgerichtshöfen dargelegt[1], nicht rechtswidrig, selbst wenn das Justizministerium diesen und damit alle palästinasolidarischen Menschen durch einen Erlass zu kriminalisieren versucht.  In diesem Erlass behauptet das Ministerium einen Anfangsverdacht für eine „Gutheißung terroristischer Straftaten“, da „nicht ausgeschlossen werden“ könnte, dass mit dieser Losung auch Terror gegen Menschen begründet werde. Im konträren Gegensatz dazu hieß es in einer Stellungnahme des Verwaltungsgerichts in Niederösterreich, „dass der Slogan als Aufforderung zu einer (kurz- oder langfristigen) friedlichen Beilegung des Konflikts verstanden werden“ (LVwG-AV24/001-2024) kann.[2]

Auch die jüngste Entscheidung des Verfassungsgerichtshof unterstreicht, dass der Slogan „From the river to the sea“ nicht rechtswidrig ist, denn in dieser wird mehrfach betont, dass zwar die verwaltungsgerichtliche Untersagung einer Demonstration am 11.10.2023 (über die das Verfassungsgericht entschied) zu bestätigen sei, aber nur aufgrund der zeitlichen Nähe zum 7. Oktober, nicht wegen des Inhalts des Spruches.  

Dennoch scheint nunmehr die Exekutive einen Anlassfall gefunden zu haben, an einem palästinensischen Aktivisten, der aufgrund seiner Herkunft marginalisiert und zudem nach zwei Jahren Genozid psychisch schwer belastet ist, ein Exempel zu statuieren:

Ahmed Hilal war auf vielen Versammlungen zu Palästina präsent. Er wurde mit Strafen eingedeckt und sein Bild wurde immer wieder diskriminierend in Wort-Bild-Zusammenhängen mit Gewalt, Antisemitismus und ähnlichen diskriminierenden Zusammenhängen verbreitet (z.B. in der Infografik der Wiener Linien). Am 27. Juli 2024 wurde Ahmed Hilal bei einer Kundgebung in Meidling, ohne Grund oder Provokation mit Polizeibrutalität festgenommen, am Boden fixiert, in einen Hauseingang gebracht, aus dem er dann mit sichtlichen Verletzungen und traumatisiert abtransportiert wurde. Die amtshandelnden Polizisten wurden angezeigt und Erhebungen gegen sie eingeleitet. Am 8.11.2025 wurde Ahmed Hilal von der Polizei ebenso wegen „From the river to the sea…“ angezeigt. Hinweise, dass er diesbezüglich schon mehrfach einvernommen worden war und sich erklärt hatte, zählten nicht. Ahmed Hilal ist also der Polizei bekannt und sie wollen an ihm als einem unbeugsamen, palästinensischen Aktivisten ein Exempel statuieren, dass zu ihrer muslim- und araberfeindlichen Agenda passt.

Am Samstag wurden daher nicht nur die persönlichen Daten von Ahmed Hilal aufgenommen, er wurde festgenommen und sitzt nunmehr ungerechtfertigt seit fünf Tagen in Untersuchungshaft. Es steht auch nicht in Aussicht, dass er in den kommenden Stunden oder Tagen entlassen wird. Was hier gegen Ahmed durchgeführt wird ist nichts anderes als eine „Sicherungshaft“: Ahmed wird wegen einer politischen Äußerung, nicht wegen „Gefahr einer Tatbegehung“ festgehalten. Denn welche andere Tat könnte das sein als eine weitere Meinungsäußerung gegen Apartheid? Es ist höchst bedenklich, dass solch autoritären Schritte, die an die Praktiken einer „Schutzhaft“ im Austrofaschismus erinnern, gegen marginalisierte Menschen und Aktivist:innen gesetzt werden.

Ahmed Hilal wird in Haft gehalten, seine Wohnung wurde durchsucht und auf den Kopf gestellt. Nunmehr wird er, ohne weitere Evidenz außer der Tatsache, dass er auf einer Demonstration für Menschenrechte und Freiheit in Palästina auftrat und dabei den Spruch „From the River to the Sea, Palestine will be Free“ rief, wegen Verdachts der Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten angeklagt.

Dieser Vorstoß der Exekutive und der Staatsanwaltschaft ist nicht nur aufgrund des anhaltenden Freiheitsentzugs von Ahmed Hilal komplett unangemessen, es ist ein erneuter Angriff auf unsere demokratischen Rechte gegen das Unrecht des Völkermords auf die Straße zu gehen. Es ist ein erneuter Versuch der Kriminalisierung palästinasolidarischer Menschen und von Palästinenser:innen, der überwiegend auf dem Rücken einzelner, zumeist aufgrund ihrer eigenen palästinensischen Herkunft marginalisierter Aktivist:innen ausgetragen wird. Was auf dem Rücken des „Exempels“ Ahmeds erreicht werden soll geht uns alle an: Nachdem Verwaltungsgerichte und staatspolizeiliche Vorladungen und Einvernahmen zu keinen Verurteilungen führten, nachdem die Repression zunehmend härtere Paragrafen ins Feld führt („Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“) soll endlich eine Verurteilung wegen „From the river to the sea….“ erreicht werden, um damit dann gegen die ganze Palästinasolidarität losschlagen zu können.

Wir werden mit Entschlossenheit gegen diesen erneuten Versuch der Illegalisierung und Diffamierung der Palästinasolidarität vorgehen. Wir werden die Rechte unseres Mitaktivisten Ahmed Hilal kollektiv verteidigen, und rufen alle demokratischen Kräfte dazu auf, sich uns anzuschließen, um gegen die autoritären Tendenzen, die sich in der Durchsetzung von Exekutivmacht zeigen, aufzustehen.

Initiative Palästina Solidarität


[1] Vgl. Zum Beispiel den Spruch des Verwaltungsgerichtshofs bezüglich der Auflösung des Solidaritätscamps am Campus Wien: RIS – VGW-102/067/8305/2024 – Entscheidungstext – Landesverwaltungsgerichte (LVwG) ; Polizeiliche Repression gegen Palästina-Solidarität war rechtswidrig | Palästina Solidarität

[2] https://www.palaestinasolidaritaet.at/2024-05-16-5208-2/