Der gewollte Antisemitismus: Der Angriff auf die Meinungsfreiheit geht weiter
Vorbemerkung: Vorsicht! Diese Auseinandersetzung ist antisemitisch. Sie vertritt nämlich „Antikapitalismus, Antiimperialismus. Antikolonialismus und Antiamerikanismus“. Das aber sind alles Kennzeichen von Antisemitismus, laut der „Strategie der Bundesregierung“ (S. 48). Und es kommen auch „Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten“ (S. 47 – aus der IHRA-Definition von Antisemitismus) vor. Wahrscheinlich ist daher auch das Lesen oder Hören dieses Textes antisemitisch. Das zur Warnung – und es ist leider kein Scherz!
Der „Anti-Antisemitismus“ ist in der Gegenwart zu einer tragenden Säule für die Politische Klasse des Zentrums und ihrer Ideologie und Strategie geworden. Die hegemonialen Schichten tun das Ihre dazu, dies möglichst zu stützen. Man muss zugeben: Es war und ist eine geschickte Wahl. Wer will schon antisemitisch sein? Wer will sich mit den Nazis gemein machen?
Diese Ausgestaltung zur Leitideologie des modernen Imperialismus hat ein klares Ziel: Damit will man sich gegen jede Kritik immunisieren. Denn diese wird ja damit automatisch „antisemitisch“ – und das wird auch schnell so gesagt, siehe oben!.
Aber da gibt es ein Problem. Der Antisemitismus ist immer weniger ein reales, ein echtes Problem. Jedenfalls gilt dies für Europa; von den USA sprechen wir hier nicht. Der alte harte Antisemitismus, jener der Nazis und auch der Christdemokraten und Christlichsozialen z. B. im Österreich der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ist inzwischen eine marginale Angelegenheit. Quantitativ ist er schwer abzuschätzen. Er ist tabuisiert, und daher wird sich kaum jemand outen. Ich würde annehmen: Er bewegt sich im niedrigen einstelligen Bereich. Aber auch der „weiche“ Antisemitismus aus der älteren christlichen und dann kulturalisierten Tradition europäischer Unerschichten ist kein wirkliches Problem mehr, oder schlimmstenfalls ein zweitrangiges. Diesen kulturalistischen Antisemitismus kann man auf vielleicht 10 bis 15 Prozent schätzen, ja nach nationalem Kontext (dazu später).
Wenn man also aus durchsichtigen politischen Gründen die Absicht hat, Antisemitismus zum Problem aufzubauen, muss man ihn schaffen und fördern. Genau dies ist der Sinn der „Nationalen Strategie gegen Antisemitismus“, ob 1.0 oder 2.0, und der inzwischen vielen (jährlichen) Berichte und Untersuchungen. Dies findet nicht nur in Österreich statt. Die EU betreibt dies eifrig. Die österreichischen Autoren aus dem Bundeskanzleramt brüsten sich stolz, dabei eine „Vorreiterrolle“ (S. 24) zu spielen und sich dabei „ausschließlich“ (a.a.O.) auf Antisemitismus zu konzentrieren, während anderswo auch noch „andere Formen von Diskriminierung“ einbezogen werden. Kann man sich selbst stärker decouvrieren?
Die „Strategie“ und die Studien
Die „Strategie“ ist ein umfangreiches Papier. Es sollte jetzt schon klar sein: Es geht dabei nicht um Vorurteile und Diskriminierung. Es geht ausschließlich um soziale Kontrolle und politische Schikanen. Man müsste sich inhaltlich mit diesem Bericht nicht auseinandersetzen, wenn man dies verstehen und eine Verteidigung aufbauen will. Aber im aktuellen politischen Prozess ist eine solche Auseinandersetzung für die Debatte doch wichtig. Man sollte also dieses Papier und die Phantom-Untersuchungen zur Kenntnis nehmen und debattieren. Dazu gehören die mittlerweile zahlreichen Studien und Umfragen zu Antisemitismus, meist im Auftrag der Regierungen.
Was wir hier finden, ist Wissenschaft in geradezu klassischer Form, ob mit oder ohne Anführungs-Zeichen. Wenn man ein Einführungs-Proseminar in empirische Soziologie oder speziell in Demoskopie machen müsste, könnte man diese diversen Studien heranziehen, um zu demonstrieren, wie man es nicht macht, wenn man wirklich etwas herausfinden möchte; bzw.: wie man es macht, wenn man seine Auftraggeber jedenfalls zufriedenstellen will.
Wenn man ein Beispiel haben will: Die Frage: „Würde es Sie stören, Juden als Nachbarn zu haben“, kommt aus langjähriger Vorurteilsforschung und dürfte tatsächlich valide sein. Sie wird in Österreich von 4 % mit „sehr“ und von 7 % mit „eher schon“ beantwortet (Parlament 2022, 19). Gebongt! – Aber dann kommen Fragen, die einfach so konstruiert sind, dass sie dorthin führen, wohin man will. „Es gibt geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben“ (a.a.O., 8: „Verschwörungsglaube I“). Hier liegt der Witz natürlich bei “geheim“. Denn dass manche Organisationen großen politischen Einfluss haben, wird ja doch wohl niemand bestreiten. Und so geht es weiter. „Juden versuchen heute Vorteile daraus zu ziehen, dass sie in der Nazizeit Opfer waren“ (28); „Die Medien und die Politik stecken unter einer Decke“ (11 – „Verschwörungsglauben II“). – Usw. Für eine Mehrheit funktioniert dies noch: „Juden werden ungerechtfertigt angefeindet, wenn es Krisen gibt“ (24 – 56 %).
Wieviele Juden leben in Österreich?
| „Israelitisch“ | Österreich | In % Bevölkerung | Wien | In % Bevölkerung | Wien % von Öst. |
| 1951 | 11.224 | 0,16 | 9.000 | 0,56 | 85,9 |
| 1961 | 9.049 | 0,13 | 8.354 | 0,51 | 92,3 |
| 1971 | 8.461 | 0,11 | 7.747 | 0,48 | 91,6 |
| 1981 | 7.123 | 0,09 | 6.527 | 0,43 | 91,6 |
| 1991 | 7.268 | 0,09 | 6.554 | 0,43 | 90,2 |
| 2001 | 8.140 | 0,10 | 6.988 | 0,45 | 80,2 |
Quelle: Volkszählungen – Frage: Religionszugehörigkeit
Es ist nicht so einfach zu beantworten, wie viele Juden in Österreich wirklich leben. Bis 2001 wurde in der VZ die Konfession erhoben. Doch wir können vermuten, dass viele agnostische Personen jüdischer Abstammung (was keineswegs heißt, dass sie Juden sind!) aus historischer Solidarität damals eine solche Angabe machten. – Bis 1981 dürften die Zahlen im Wesentlichen Person aus der österreichischen Tradition spiegeln. Danach setzte eine Einwanderung aus dem Osten (vor allem Russland) ein. Auch Rückwanderer aus Israel gibt es, weil sie sich in Österreich sicherer fühlen – im offenen Gegensatz zur dauernd verbreiteten Propaganda-Behauptung: „Wir fühlen uns nicht sicher“ (Krone, 30. Nov. 2025, S. 3). Die Staatsbürgerschafts-Angaben helfen hier wenig. Jüdische Einwanderer wurden bei der Vergabe der Staatsbürgerschaft diskret privilegiert.
Ariel Muzicant hat vor Jahren von 15.000 Juden in Österreich gesprochen; aber die Zahl dürfte überschätzt sein. Sie entspringt einem biologischen Konzept von Jude als Personen jüdischer Abstammung. Die IRG gibt etwa 8.000 Mitglieder an. Jedenfalls besteht heute ein gewichtiger Teil davon aus Personen, welche aus anderen Ländern kamen, bzw. aus deren Kindern. Das ist ähnlich wie bei anderen „Volksgruppen“ (ethnischen Minderheiten) in Wien, wie Tschechen und Ungarn. – Sie bilden eine sehr geschlossene Gruppe, wie ich vor Jahren in einer Studie über Homogamie (Heiratsverhalten) zeigen konnte.
Überhaupt die Wissenschaft! Darüber werden wir noch einige Bemerkungen zu verlieren haben.
Wozu dient dies Alles?
Wenn die Hegemonie brüchig wird, tritt die Gewalt des Staats in Erscheinung. Doch die politischen Eliten – um diese geht es hier vorrangig, viel weniger um die ökonomischen – wollen nicht begreifen, dass dies Krisen-Erscheinungen sind. Die aber treten seit etwa zwei Jahrzehnten verstärkt auf. Die Bürokratie stand dem erst hilflos gegenüber. Dann versuchte sie in verschiedenster Weise zu reagieren. Der Bericht selbst hilft uns, diese Hegemonie-Krise und die politische Antwort darauf zu verstehen. Er nennt einige davon.
Es ist ganz und gar kein Zufall, dass immer wieder auf die „Covid-19-Pandemie“ verwiesen wird. Es bestätigt, dass die Politik damals im Wesentlichen ein gezielter Angriff auf Grundrechte und Grundfreiheiten war. Die „Gesundheit“ stand nicht zur Debatte. Dieser ständige Bezug auf COVID im Rahmen einer „Strategie gegen Antisemitismus“ zeigt aber auch: In wichtigen Punkten ist die Politik damals gescheitert. Symbol dafür war der Rückzug beim offenen Impfzwang Man muss also eine neue Strategie für die Kontrolle und die Unterdrückung finden.
Die neuen Ansätze sind entscheidend für die gegenwärtige Politik. Sie zielen auf Einschüchterung jeder oppositionellen Äußerung ab. Die Hegemonie bröckelt. Daher droht man den Einsatz des Strafrechts an, wenn Opposition die Definitionsmacht in Frage stellt. Alles was nach Opposition riecht, wird unter die Rubrik „Rechts- und Links-Extremismus“ rund um das Gerüst „Antisemitismus“ gespeichert. Was soll nun alles („teilweise“) Antisemitismus heißen? „Diskurse über ‚globalistische Eliten’“ (S. 49) ebenso wie „Delegitimierung des jüdischen Staats“ als koloniale Entität werden hervorgehoben. Ganz allgemein zählen „Antikapitalismus, Antiimperialismus. Antikolonialismus und Antiamerikanismus“ dazu. Und „komplex verwobene, globale Verschwörungstheorien, …. Vereinfachung komplexer geopolitischer Zusammenhänge“ („internationale Krisen wie etwa die COVID-19-Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine“) „befeuern den bereits vorhandenen Antisemitismus“ (121).
Dazu muss man die Rechtsordnung ändern. Und man muss die vorhandenen Kontroll-Mittel einsetzen: „Erweiterung der Deliktkennungen“ wurden seit 2024 in einer Reihe von Datenbanken vorgenommen (VJ-Verfahrensautomation Justiz; EliAs-Elektronisch integrierte Assistenz; die Polizei-Datenbank mit „praxisrelevanten Beispielen“).
Die österreichische Regierung hat die IHRA-Definition 2017 „zustimmend“ ins österreichische Recht bzw. Para-Recht übernommen. Das EP, das EU-Pseudo-Parlament, forderte wenige Wochen später alle EU-Mitglieder auf, sie zu akzeptieren. Eine politische Körperschaft maßt sich das Recht an, eine analytische („wissenschaftliche“) Frage autoritativ zu entscheiden. Da geht es um die „Macht der Juden“, eine soziologische Frage; die Äußerung, die Israels Gaza-Genozid „übertrieben darstellt“ und allgemein „Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der der Nationalsozialisten“ sowie das „Verantwortlichmachen von Juden für die Politik Israels“, ganz gleich, wie oft der Herr Deutsch diese rechtfertigt (alles S. 47).
Die Argumentation im Bericht wiederholt sich, und es wiederholen sich ständig gewisse Vokabel: „Sensibilisierung“, „Kontextualsierung“, „Gedenk- und Erinnerungskultur“ (hier kommt das Wort „Gedenkdiener“ vor!), „Verantwortung“, „wertebasiert“. Und es gibt einige ideologische Lieblings-Komplexe.
Als Hauptvehikel dient seit einigen Jahren die „Verschwörungs-Theorie“. Als in der Zeit des Corona-Wahnsinns auch mit dem Vergrößerungsglas einfach kein Antisemitismus zu finden war, hat man dieses Vokabel gefunden. Danach verschwand es nicht mehr. Inzwischen hat man es selbst dem Antisemitismus gleichgesetzt. Heute ist eine Untersuchung über Eliten, welche deren globalen Charakter festhält und den winzigen Umfang dieser Gruppe diskutiert (Avin u.a. 2018; auch Galotti u.a. 2010), Antisemitismus.
Man bemüht sich, diese Behauptung mit einem primitiven Trick zu belegen. In der Demoskopie wird gefragt: Haben Juden in unserer Gesellschaft einen überdimensionierten Einfluss? Bejaht man dies, hat man sich als Antisemit verraten. Was aber ist mit diesem Strategiepapier? Neben Bildern und Vorworten von Bundeskanzler, Vizekanzler und „Vize-Vizekanzlerin“ Meinl-Reisinger finden wir in diesem offiziellen Dokument Vorwort und Bild des Oskar Deutsch, Repräsentant einer winzigen Gruppe (s. o.) österreichischer Staatsbürger…
Doppelmoral
Prominent unter den Begründungen für die beliebige Ausdehnung des „Antisemitismus“-Vorwurfs auf alle oppositionellen Äußerungen figuriert die angebliche „Doppelmoral“ gegenüber Israel. Es könnte einem das Lachen kommen. Es gibt wohl kein stärkeres Beispiel der Doppelmoral als die Haltung der westeuropäischen politischen Klassen gegenüber dem Judenstaat. So nennt Israel sich selbst. Wer dies problematisch findet, will Israel zerstören. Aber wer ist Jude? Das wird über Abstammung definiert – also biologistisch-rassistisch. Macht das jemand in der BRD oder auch in Österreich, so raunen die Medien vom „völkisch-rassistischen Gedankengut“ als wesentliches Merkmal des Rechtsextremismus (vgl. DÖW 2024: „Schlüsselitems wie ‚Volksgemeinschaftsdenken / Ethnozentrismus’…“). Und das ist es – aber nicht nur in Österreich und Deutschland!
Sobald eine ethnische Qualifikation, in diesem Fall „jüdisch“, vorliegt, wird dies als antisemitisch eingestuft (siehe Beisiele S. 121). (Das kann sich auch auf die Information über die nationale Herkunft bei einem Vergehen beziehen.) Es geht darum, ethnische oder nationale Zugehörigkeiten als solche zu „delegitimieren“ (wie die Autoren formulieren). Grotesk ist dies, weil es aus der Ecke einer zugespitzten identitären Logik kommt. Das darf aber nur die Zugehörigkeit zum Geschlecht oder dem Para-Geschlecht betreffen. Es kommt eben darauf an, wer bestimmt, welche Identität erlaubt und welche verboten ist.
Das ist die ideologische Ebene. Über die praktisch-politische – inklusive der militärischen – müssen wir nicht reden. Da gäbe es allzu viel zu sagen.
Die Doppelmoral wird in der „Strategie“ politisch verpflichtend gemacht. Das Strafrecht soll dies durchsetzen und erzwingen. Zusätzlich wird der ganze staatlich-ideologische Apparat eingesetzt, von den Schulen bis zur Arbeitsmarkt-Verwaltung.
Ich kann es mir nicht versagen, ein besonderes Gustostückerl dieser Doppelmoral in der Politik vorzuführen. Es geht um den „Helden von Brüssel“, um Alois Mock.
Klaus und Mock: Ein echter Österreicher und sein europäistischer Prophet
Josef Klaus war ÖVP-Bundeskanzler 1964 – 1970, ab 1966 mit absoluter Mehrheit. In seiner Studienzeit Anfang der 1930er hatte er sich als wilder Antisemit betätigt. U. a. forderte er in Flugblättern den Rektor der Universität Wien auf, endlich gegen jüdische Professoren und Studenten vorzugehen. 1970 führte er den Wahlkampf gegen Bruno Kreisky. Alois Mock erfand dafür den Slogan: „Ein echter Österreicher“. Die Hauptbedeutung war völlig offen: „nicht so wie dieser Kreisky …“. Mock und seine Außenpolitik werden heute von denen hoch verehrt, die sich bemühen, jede erdenklich oppositionelle Regung als Antisemitismus abzustempeln.
Analyseverbot und Zensur
Analyse beginnt mit der Bestandsaufnahme und mit Generalisierungen. Nur so können Regelhaftigkeiten („Gesetze“) erkannt werden. Das ist – angeblich – das Ziel von „Wissenschaft“. Aber gewisse Vergleiche sind ausdrücklich verboten. Wer völkermörderische Aktionen vergleicht, ist von vorneherein antisemitisch. Die Politik ordnet aber, wenn es ihr gelegen kommt, bereits einige Tausend Tote als „Völkermord“ ein. Wenn irgendwas, ist dieser üble, zynische Witz eine Relativierung des Völkermords und der Judenvernichtung, die sonst so in den Vordergrund gerückt wird. Und ob Wolfgang Benz (1991) sein Buch über die Shoa heute noch herausgeben dürfte, ist unklar. Denn er stellt ausdrücklich die Frage nach dem Umfang, nach der Zahl der jüdischen Opfer. Das aber gilt seit Längerem als „Relativierung des Holocaust“.
Der ganze Rummel, diese Ritualisierung der „Gedenk-Kultur“ soll offenbar eine seriöse Faschismus-Analyse verdrängen. Dazu passt, dass all dieses Erinnern ausschließlich auf die Juden-Vernichtung fokussiert ist. Alles, was sonst zum Faschismus zu sagen ist, wird unter den Teppich gekehrt. Vor einigen Jahren hat man auf die schäbige, ja verbrecherische Rolle hingewiesen, die Karl Renner 1938 gespielt hat. Er drängte sich von sich aus den Nazis auf, den Überfall auf die Tschechoslowakei zu rechtfertigen (Renner 1991). Und was war die Reaktion, auch der SPÖ? „Aber Renner war doch kein Antisemit!“ Absurd ist nur, dass man mittlerweile auch Renner als Antisemiten entdeckt hat…
Es ist beabsichtigt, die Zensur deutlich zu verschärfen („nachzuschärfen“ sagen sie). Dazu gibt es bereits die notwendigen Instrumente, u. a. das HiNBG 2020 („Hass-im-Netz-Gesetz“ – wirklich, so wird es geschrieben). Es wird in Österreich noch nicht in aller Konsequenz angewandt. Die Bürokratie schafft es nicht. Demnach wären z. B. auch die wunderbaren Lieder der Resistenza, oder der italienischen Anarchisten (Banda della Scuola Popolare di Musica di Testaccio) oder auch Ernst Buschs Spanienlieder verboten. Denn da heißt es: „Im fernen Vaterland geboren, brachten nichts als Hass im Herzen mit …“ Dass so hetzerische antifaschistische Lieder verboten gehören, wird doch wohl jeder einsehen.
Denunziation
Da Denunziationen in der BRD im Zusammenhang mit dem neuen Majestätsbeleidigungs-Paragraphen 188 des deutschen StGB so erfolgreich waren – Habeck hat viele Hunderte Anzeigen und Anklagen erstatten lassen – , nimmt sich die österreichische Bundesregierung ein Herz und folgt dem Vorbild. Denunziation wird eine wichtige Strategie des neuen Aktionsplans. Dazu bekommen gewisse Vereine eine bevorzugte Stellung und werden zu Trusted-Flagger-Organisationen erklärt; also zu zentralen Denunziatoren. Zuständig dafür ist (S. 125) KommAustria (Kommunikationsbehörde Austria). Genannt werden „bis dato (August 2025)“ ZARA und ÖIAT, da sie das „erforderliche Fachwissen“ hätten.
Die Geschichte erinnert an das Dritte Reich und seine Denunzianten-Netzwerke (vgl. u. a. Reuband 2001). Nachdem sich zuerst die Verordnung des Reichpräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung (21. März 1933, der „Tag von Potsdam“) und sodann das Heimtücke-Gesetz vom 20. Dezember 1934 als rein polizeilich-staatliche Instrumente als zuwenig effizient gegen steigende Unzufriedenheit (vgl. Frei 1987, 9ff.) erwiesen hatte, kombinierten die Machthaber die polizeiliche Repression mit ihrem Unterstützer-Kreis aus Parteigenossen und Sympathisanten. Genau dies wird mit „zivilgesellschaftlichen Meldeeinrichtungen“ heute auch versucht. Denn der „Antisemitismus“ ist ja inzwischen „so subtil“ (mehrmals im Text). Man muss die Menschen gründlich schulen, damit sie ihn erkennen. Und das ist ein wichtiges und ausführlich abgehandeltes Vorhaben der „Strategie“.
Welt, 26. November 2025 berichtet über eine Studie „israelbezogener Antisemitismus“:
Die Polizei schreite nicht genügend ein und erkenne Antisemitismus nicht: „Auch eine Holocaust-Relativierung auf einer israelfeindlichen Demonstration – ein Schild mit der Aufschrift „Holocaust vergessen?“ – wurde zwar als Volksverhetzung angezeigt und dem Themenfeld „Israel“ zugeordnet, nicht aber zusätzlich dem Themenfeld ‚antisemitisch’.
Man wird der Klage eines rechten Konservativen, dessen Diagnose kaum widersprechen: „Inzwischen ist fast jede Kritik ’Hass und Hetze’ … eine hysterische Deutung der Gegenwart. … Die permanente Ausgrenzung in Deutschland wird als Inklusion bezeichnet.“ Und dann stellt er noch fest: „Es ist mein Grundrecht, den Staat zu delegitimieren!“ – Der das in einem Interview der NZZ sagt (28. Nov. 2025: Deutschland ist auf dem Weg in eine neue Diktatur) kann sich sonst nicht genug tun, in der „Welt“ genau diese Stimmung gegen Kritiker an Israel zu befeuern, Die NZZ ist ebenfalls ein Medium dieser Richtung.
Es ist eine Fülle von Maßnahmen geplanten. Man muss sich fragen: Wird dieser Overkill nicht kontraproduktive Effekte für die bürokratischen Akteure bringen? Wird da nicht echter Antisemitismus gestärkt? Das kann durchaus sein. Möglicherweise ist dies ein Ziel. Aber man soll auch die Auswirkungen der ständig steigenden Repression auf die politische Kultur nicht unterschätzen. Man beginnt sich sehr schnell zu überlegen: Darf ich dies noch sagen? Ist es überhaupt angezeigt, noch eine kritische Meinung zu äußern? Gerade das, die Autozensur, ist ganz sicher ein Ziel der „Strategie“.
Fast ironisch wird es, wenn die eigene Geisteshaltung auf die Opposition projiziert wird, die dann des „Schuldabwehr-Antisemitismus“ bzw. des „Post-Shoa-Antisemitismus“ beschuldigt wird. Ähnlich wird die Tatsache, dass Antisemitismus ein europäisches Phänomen war, das erst als politisch-geistiger Export in die Peripherien verbracht wurde, ausdrücklich abgeleugnet. Wenig verwunderlich. Das würde nicht nur die eigene moralische Superiorität stören, sondern vor allem eine Auseinandersetzung mit der noch immer bestehenden und sich teilweise sogar verschärfenden Zentrum-Peripherie-Problematik erfordern. Dafür werden religiöse Konflikte aus dem 7. Jahrhundert ins Kästchen Antisemitismus eingeordnet. Man stellt also dem „Ewigen Juden“ der alten Antisemiten einen „Ewigen Antisemitismus“ entgegen.
Die Wissenschaft und die „Wissenschaft“
Die Wissenschaft ist eines der Hauptsysteme des politischen mainstreams und zunehmend Kern der politischen Ideologie-Produktion. Damit kann diese „Strategie“ nicht daran vorübergehen (S. 172 ff.). Die Universitäten und Akademien haben denn auch einen mustergültigen Weg genommen: Sie waren ein Fokus des alten Konservatismus, dann im Konkurrenzkampf der neuen Intellektuellen auch des Antisemitismus. Inzwischen haben sie die Kurve genommen. Sie beugen sich der Staatsraison.
Aber das ist etwas kompliziert. Die Hegemoniekrise hat auch das akademische System erreicht. Unerwartet gibt es vereinzelt eine kritische Regung. Doch Österreich ist nicht die USA, schon eher das neue Deutschland. Hier halten die Institutionen weitgehendst die Stellung. Wir können wieder einmal die Dialektik der Geschichte beobachten. Dort hat das teils privatisierte Bildungssystem in vielen Bereichen mehr Freiheit. Hier hält die Bürokratie den Daumen drauf, denn sie hat trotz Abkoppelung vom Ministerium über die Finanzierung das Sagen. Inhaltlich wird eher noch mehr Einfluss ausgeübt als vor der „Reform“. „Forschungsaufträge“ sind ein wichtiges Mittel der Kontrolle. Und die sogenannte Drittmittel-Aquisition ist seit einigen Jahrzehnten die Hauptaufgabe der Wissenschaft. Daran wird der Erfolg gemessen. Man muss einmal gehört haben, wie über einen Kollegen gesagt wird: „Der hat jetzt ein EU-Projekt an Land gezogen.“
Aber die Bürokratie verlässt sich nicht allein darauf. Die direkte Kontrolle prüft, ob dies auch funktioniert. „Im Frühjahr 2024 wurde ein Screening in Auftrag gegeben“ (S. 175). Im Übrigen gibt es eine Fülle von neuen Instituten und Projekten, und es ist eine weitere Fülle geplant (S. 176 ff.).
Folgen – impressionistisch, weil noch schwer übersehbar
Diese „Strategie“ ist ein gewaltiger Schritt in den Neuen Autoritarismus, in den Technofaschismus, hinein. Die Hegemonie bröckelt immer stärker, also muss die Staatsmacht eine neue Zensur aufbauen. Bisher hat man vor allem auf die Selbstzensur der traditionellen kommerziellen Medien gesetzt, welche ja der herrschenden politischen Klasse und der Bürokratie sowieso äußerst freundlich gesinnt sind. Dazu soll die Selbstzensur der Plattformen kommen. Diese haben die ihnen nahegelegten Verpflichtungen „verantwortungsvoll“ schon vor Jahren unterschrieben. Es ist ein von der Idee her geschickter Schritt. Die Staatsmacht selbst möchte sich nicht direkt exponieren und damit weniger angreifbar sein, auch durch Abweichler z. B. in der Verfassungs-Gerichtsbarkeit.
Aber diese Zensur funktioniert weniger gut als erwünscht, trotz des „Aufbaus eines europaweiten Netzes vertrauenswürdiger Hinweisgeberinnen“ (S. 117), also eines EU-weiten Denunziantinnen-Netzes. Aber man sucht „eine wirksame Regulierung … gegen schädliche Aktivitäten“. Also will die Staatsmacht in steigendem Maß selbst vorgehen.
Die Katholische Kirche hat den Index librorum prohibitorum, den Index der verbotenen Bücher, 1967 abgeschafft. Die österreichische Bundesregierung führt ihn wieder ein. In Hinkunft ist es verboten, Quellenmaterial zum NS zu besitzen. Das Hitler-Elaborat „Mein Kampf“ darf nur mehr in einer kommentierten Ausgabe gelesen werden. Das ist keineswegs ein Witz. Das ist im novellierten Verbotsgesetz 2023 festgelegt, und wird vom BMI ausdrücklich betont (siehe Rechtstexte). Wie dies mit den Exemplaren in den Bibliotheken (UB, ÖNB, etc.) ist, wird nicht gesagt. Vermutlich werden sie nicht mehr ausgegeben, bzw. nur an „Vertrauenswürdige“.
Inhaltlich ist anzumerken: Wir können hier die allgemeine Vorgangsweise beobachten. 2008 gab es von der EU noch einen „Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“. Nun ist daraus ein „Code of Conduct“ (2016 und 2025) geworden, und der Digital Services Act scheut auch nicht mehr direkte Eingriffe in die Informationsfreiheit, Doch inzwischen ist aus „Rassismus“ und „Fremdenfeindlichkeit“ ein „Antisemitismus“ geworden, welcher jede Opposition umfasst: „Eine Vielzahl von subtilen Formen des Antisemitismus [verbirgt] sich hinter bewusst verschlüsselter Sprache und Codes, … tarnt sich oft hinter geschickter Rhetorik, … vielfach unterhalb der Schwelle strafrechtlicher Relevanz … und beeinträchtigt die öffentliche Ordnung und innere Sicherheit ..“ (S. 120). Offener kann man Die Zensur-Absicht kaum sagen. Und damit es wirklich alle verstehen, weist man auf Covid und den Ukraine-Krieg hin.
Wir haben hier den Schwerpunkt auf Österreich gelegt. Aber gerade eben wurde auch klar: Auch diesmal steht nicht zuletzt Brüssel (und damit Berlin) hinter diesen Vorhaben. Zwar rühmen sich die Verfasser mehrfach, Österreich spiele dabei eine „Vorreiterrolle“. In Österreich macht man es jedoch bisher weniger handgreiflich brutal als in der BRD. Aber davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Das Werkzeug ist schon da und vorbereitet. Es kann jederzeit eingesetzt werden. Wir haben 2020 – 2022 gesehen, wozu die Regierenden fähig sind, wenn sie glauben, sie hätten eine Mehrzahl der Bevölkerung hinter sich. Es wird in Zukunft ohne Zweifel härter werden. Aber trotzdem zeigt der Bericht, „die Strategie“, auch Eins: Noch funktioniert es nicht so, wie sie sich das wünschen. Noch hat Widerstand eine Chance.
Avin, Chen/ Lotker, Zvi, u.a. (2018), Elites in Social Networks: An axiomatic approach to power balancean Price’s square root law. In: PLOS ONE 13, PLOS ONE https://doi.org/10.1371/journal.pone.0205820
Benz, Wolfgang (1991), Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 33). München: Oldenbourg.
DellaPergola, Sergio (2020), Jewish Perceptions of Antisemitism in the European Union, 2018: A New Structural Look. Analysis of Current Trends in Antisemitism 2020 https://doi.org/10.1515/actap-2020-2001
DÖW – Kranebitter, Andreas / Willmann, Johanna (2024), DÖW-Studien: Rechtsextremismus-Barometer 2024. Wien: DÖW.
FRA (2024), Pressemitteilung: Jüdische Menschen sind in Europa nach wie vor mit Antisemitismus gefährlichen Ausmaßes konfrontiert. Wien, 11. Juli 2024.
Frei, Norbert (1987), Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945. München: dtv (Deutsche Geschichte der neuesten Zeit).
Galeotti, Andrea / Goyal. Sanjeev (2010). The Law of the Few. In: American Economic Review 100, 1468–1492.
IFES (2023), Antisemitismus 2022. Gesamtergebnisse – Langbericht. Studie im Auftrag des österreichischen Parlaments. Ewelyn David und Eva Zeglovits. Wien
IHRA (2021), Handbuch zur praktischen Anwendung der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus. Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union.
Österreichische Bundesregierung (2025), Nationale Strategie gegen Antisemitismus 2.0. Nationale Strategie der Republik Österreich zur Bekämpfung aller Formen von Antisemitismus und Förderung jüdischen Lebens (2025 – 2030). Wien: BKA.
Parlament Österreich: Antisemitismus 2022. Internationale Vergleichsdaten. Materialsammlung. Projektkoordination: Thomas Stern; Autor: Julius Gruber. Wien, April 2023.
Renner, Karl (1991 [1938]), Der Anschluss und die Sudetendeutschen. Mit einer Einführung von Eduard Rabofsky. Wien: Globus (Renners Schrift in Faksimile der Korrektur).
Reuband, K.-H. (2001). Denunziation im Dritten Reich: die Bedeutung von Systemunterstützung und Gelegenheitsstrukturen. In: Historical Social Research, 26(2/3), 219 – 234. https://doi.org/10.12759/ hsr.26.2001.2/3.219-234
Rechtstexte:
VERORDNUNG (EU) 2022/2065 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (Gesetz über digitale Dienste) eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32022R2065
Daraus die österreichische Fassung: Bundesgesetz über den Koordinator-für-digitale-Dienste nach der Verordnung (EU) 2022/2065 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Koordinator-für-digitale-Dienste-Gesetz – KDD-G) BGBl. I Nr. 182/2023 (NR: GP XXVII).
Verbotsgesetz-Novelle 2023, BGBl I 177/2023; samt Einführungserlass vom 10. Jänner 2024.
Vorher bereits: HiNBG 2020, BGBl I 148 / 2020: Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz [Das ist nicht von mir erfunden!]
